Gedanken zu „The Nice Guys“ (US 2016) von Peter Scheinpflug

Katharina Görgen und Peter Scheinpflug teilen sich seit geraumer Zeit ein gemeinsames Büro und lieben Filme über alles – nur nicht dieselben Filme. Dafür streiten sie sehr gerne. Und daher schreiben sie Kritiken zu denselben Filmen. Viel Spaß beim Lesen!

Das Publikum im Kölner Kino Off-Broadway, das eigentlich eher als Programmkino jenseits des Hollywood-Mainstream bekannt ist, hat im Kinosaal bei „The Nice Guys“ ebenso kräftig wie ausgiebig gelacht und auch ich fühlte mich von Shane Blacks neustem Film prächtig unterhalten. Ohne Frage bietet die Buddy-Action-Komödie eine fesselnd erzählte Story, wunderbare Schauspieler, berauschende Bilder, erheiternde Referenzen auf die Filmgeschichte und eine bestens funktionierende Mischung aus Spiel, Spaß und Spannung. Doch zugleich fühlte ich mich auch gelangweilt, denn irgendwie hat man alles schon einmal gesehen. Dies mag vielleicht daran liegen, dass Shane Black selbst die Konventionen des Genres als Drehbuchautor von einschlägigen Vertretern wie den “Lethal Weapon“-Filmen oder auch “Last Boy Scout” maßgeblich mitgestaltet hat. Auch sein Regie-Debut, der famose „Kiss Kiss Bang Bang“, war nach diesem Genre-Muster gestrickt, das er, wie nun auch wieder im Fall von „The Nice Guys“, mit Konventionen des Neo-Noir hybridisierte. Wer „Kiss Kiss Bang Bang“ kennt, mag bei vielen Szenen von „The Nice Guys“ geradezu ein Déjà-vu erleben: Wieder gibt es weibliche Doppelgänger, wieder gilt es das Mysterium der Frau zu erkunden, wieder spielt der Komplott sich vor dem Hintergrund von Hollywood ab, wieder müssen Leichen auf groteske Weise entsorgt werden, wieder müssen sich zwei Buddies zusammenraufen, von denen einer überaus tollpatschig agiert. „The Nice Guys“ kommt so insgesamt ein bisschen wie ein Best-of der Buddy-Action-Komödie daher.

So versiert das Spiel mit den Genre-Vorgaben ist, so bemüht wirkt der Film in anderen Bereichen, da er sich – dies mag als Hommage an New Hollywood gerettet werden (s.u.) – arg an Konventionen des so genannten Kunstfilms anbiedert: Insbesondere in der Figur, die Russell Crowe verkörpert, fallen die Kunstfilm-Konventionen besonders auf, werden dem Publikum doch Leerstellen und die Ambiguität der Figur überaus forciert vorgehalten. Wenn Russell Crowes Figur sich jedoch der Tochter von Ryan Goslings Figur immer mehr öffnet und schließlich in einer kitschigen Szene am Ende des Films ihr zuliebe auf das Töten verzichtet, so fügt sich dies in eine letztlich überaus konventionelle Dramaturgie, von der man meinen könnte, sie wollte einfach viel mehr, als sie am Ende einlöst.

Shane Blacks Filme waren stets das, was oft Männerkino genannt wurde, in dem Frauen trotz mancher interessanter Komplikationen von konservativen Gender- und Heterosexualitätsvorstellungen – vor allem in „Lethal Weapon 3“ – eher randständige Figuren spielten. In „The Nice Guys“ muss nun – insbesondere wenn man neben Katharina Görgen im Kino sitzt – sehr übel aufstoßen, dass Frauen in diesem Film quasi gar keine Rolle spielen – außer als Pornodarstellerinnen, Mysterium, Paranoikerinnen oder eben als Mörderinnen und Schurkinnen. Bedenkt man dabei, dass die einzige Mutterfigur im Film sich letztlich als mörderische Mutter entpuppt, während auch die Versehrungen der beiden Protagonisten stets an Frauen gebunden sind – Ryan Gosling ist (wie bereits Martin Riggs laut „Lethal Weapon 2“) für den Tod seiner Frau verantwortlich; Russell Crowe wirkt wie ein pubertierender Teenager, wenn er über die Ehe wettert – und die beiden Nice Guys recht gut ohne Frauen in ihrem Leben auszukommen scheinen, so wundert man sich doch über das patriarchale Gesellschafts- und Familienbild, das der Film so skizziert. Und so kann man das Ende auch einer queeren Lesart unterziehen, um die beiden Protagonisten, die am Ende eine gemeinsame Detektei gründen, als Partner mit Tochter, als Kernfamilie ohne Frau perspektivieren.

Ohne Frage bietet der Film so manche interessante und potenziell subversive Momente: Gleich am Anfang wird dies deutlich, wenn die Leiche der Pornodarstellerin Misty Mountains in derselben Pose nackt gezeigt wird, in der sie lebend für das Center-Fold posiert hatte. Beides zeigt der Film prominent und eröffnet damit eine Kritik an dem Motiv der schönen Leiche sowie der Objektivierung und Sexualisierung der Frau, wie sie etwa Elisabeth Bronfen und Laura Mulvey pointiert forrmuliert haben. Wenn der Junge, der gerade erst seine ersten Erfahrungen mit der Pornographisierung der Gesellschaft zu machen scheint, die nackte Frauenleiche, die er zufällig gefunden hat, mit seinem Pyjama-Oberteil bedeckt, so werden wir als Publikum daran erinnert, dass die Frau, deren Leid ebenso wie ihre Schönheit für das Publikum zur Schau gestellt wird, in den Kinderaugen eben noch mehr ist als nur ein ikonisches Bild.

In derselben Sequenz setzt allerdings auch eine Serie von Gewaltinszenierungen ein, die einen mit ihrer Kritik geradezu erschlägt: Das den Abhang hinab und ins Verderben stürzende Auto von Misty Mountains ist erstmals im Hintergrund durch ein Fenster zu sehen, bevor es schließlich ebenso überraschend wie spektakulär durch dasselbe Haus hindurch bricht. Auch später werden Gewaltmomente immer wieder durch Glasscheiben und Fenster zu sehen sein. Mit Blick gerade auf die allererste Inszenierung dieser Art liegt es nahe diese Gewaltinszenierung als Kritik an einer Gewalt aufzufassen, die nur beiläufig, im Hintergrund oder eben mediatisiert, im Fenster zur Welt, im Windows betrachtet wird. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Film geradezu forciert mit den Regeln der ‚sauberen Bildschirm-Gewalt‘ bricht, wenn er bereits früh im Film zeigt, wie eine an einem Schusswechsel unbeteiligte Person durch einen Querschläger getroffen wird – bezeichnender Weise handelt es sich dabei, wenn ich mich recht entsinne, um eine Frau, die zum Opfer eines Schusswechsels zwischen Männern wird! Auch später auf der Party des Porno-Produzenten wird im Verlauf des Kampfes von Protagonisten und Antagonisten ein unbeteiligter Partygast – nun eine Person in einer Art Swamp-Thing-Kostüm – irrtümlich angeschossen. Wenige Filme zeigen durch derartige Inszenierungen, wie unrealistisch konventionelle Schusswechsel im Mainstream-Actionfilm sind – neben dem noch immer unterschätzten Werk des auteur de violence Sam Peckinpah kommt mir hier vor allem die eindrucksvolle Straßenverfolgungsjagd im Cop-Thriller „The Corrupter“ in den Sinn, in deren Verlauf gleich mehrere Passanten zu Tode kommen. Allerdings gerät „The Nice Guys“ hier etwas ins Schwanken, wenn er zwischen Kritik und Affirmation der Konventionen balanciert. Man denke etwa an die Szene, in der Ryan Goslings Figur mit einem Antagonisten vom Dach stürzt. Während der Antagonist äußerst blutig am Boden neben dem Pool zerplatzt, landet der Protagonist, wie es nicht anders von Helden in Action-Szenen zu erwarten wäre, sicher im Pool. Auch wenn Ryan Goslings Figur in der finalen Verfolgungsjagd mehrmals durch oder gegen Glasscheiben, unter anderem zwei Mal gegen eine Autowindschutzscheibe zum Verdutzen der Personen auf anderen Seite der Scheibe, des Fensters, des Screens stürzt, so ist der anfangs so erfrischende Bruch mit Konventionen der Gewaltinszenierung längst in ein heiteres und darin eben auch die Gewalt trivialisierendes Spiel gekippt.

In einer ähnlichen Iterationslogik wird dem Publikum auch eine fade Kapitalismuskritik an den Kopf geknallt: Da sehen wir Demonstranten, die für 20 Dollar ihre politischen Ideale verraten, kleine Jungen, die für 20 Dollar ihre Genitalien entblößen, einen Privatdetektiv, gespielt von Ryan Gosling, der alte Frauen um ihr Geld bringt, und einen anderen, gegeben von Russell Crowe, der gegenüber seiner sichtlich verzweifelten Klientin das Fehlen von 7 Dollar bei seinem Honorar moniert. „The Nice Guys“ zeigt eine Gesellschaft, in der sich alles ums Geld dreht, Moral und Gesetzt untergeordnet sind. Kapitalismuskritik ist wieder recht en vogue und mag ein Ausdruck eines breiteren Gefühls davon sein, dass die so genannte Finanzkrise weder überwunden noch – insbesondere politisch – verarbeitet worden ist. Doch während Filme wie „Nightcrawler“, der mehr Kapitalismus- als Medienkritik ist, „99 Homes“ oder auch das quasi-American-Psycho-Remake „Kill Your Friends“ ihre Figuren und ihre Motivationen sowie die Milieus, in denen sie überleben wollen, ergründen und dadurch die Mechanismen des Kapitalismus, die sie kritisieren, verständlich machen und an das Publikum appellieren, sich aufzuregen, bleibt es bei „The Nice Guys“ bei einer allzu oberflächlichen Behandlung der Kapitalismuskritik, die wie das anfangs subversive Spiel mit einer gängigen Gewaltästhetik letztlich zum Running Gag verkommt. Dies kann man freilich als bitterbösen Kommentar darauf verstehen, dass keine Kritik mehr möglich sei, da man es mit einem alle Lebensbereiche prägenden Normalzustand, oder kritisch gewendet: mit einer kulturellen Hegemonie der herrschenden kapitalistischen Ideologie zu tun habe. Aber dann muss man die Szene mit dem Killer mit schwarzen Handschuhen und einem Rasiermesser auch als Giallo-Hommage deuten!

Ich kam nicht umhin hierbei an „Iron Man 3“ zu denken, die letzte Regie-Arbeit von Shane Black, in dem einige ebenso intelligente wie kontroverse Ansätze zur Kritik an den Verquickungen von Wirtschaft und Politik, die auch vor Anleihen bei Verschwörungstheorien zu simulierten bzw. fingierten Terroranschlägen nicht halt machten, letztlich in einem recht konventionellen Actionfeuerwerk verpufften. Im Vergleich dazu wirkt alle Gesellschaftskritik in „The Nice Guys“ jedoch noch bemühter und noch platter, ja, geradezu pornographisch in Szene gesetzt. Denn man kann sich nicht so ganz des Eindrucks erwehren, dass – frei nach Adorno und Horkheimer: – dem Publikum zwar die Gesellschaftskritik maximal zur Sichtbarkeit gebracht wird, sie aber zugleich ebenso bisslos wie prüde daherkommt. Shane Blacks Film überhaupt als Gesellschaftskritik im Gewand eines recht konventionellen Genre-Films zu verstehen, ist ein Lektüre-Ansatz, den der Film dem Publikum sehr forciert vorschlägt: Der gesamte Verschwörungsplot dreht sich nämlich um einen pornographischen Film-im-Film, der von den Filmemachern genutzt werden w/sollte, um ihre Gesellschaftskritik zu popularisieren. Die Figurenrede betont gerade überbetont, dass es eben nicht um die pornographischen Nummern, sondern die Botschaft, die Story ginge und invertiert damit gängige Vorstellungen zur Pornographie. Es liegt nur nahe diesen Lektüre-Schlüssel auch auf den Film anzulegen, in dem diese Logik so prominent propagiert wird, da auch der Actionfilm wie der pornographische Film wiederholt dafür gescholten worden ist, dass die Story lediglich als Gerüst und Alibi für eine Nummern- und Überbietungslogik des Spektakels herhalten müsse. Lässt man sich vom Film dazu verführen, auch in „The Nice Guys“ die Story, die Botschaft, die Gesellschafts- und Kapitalismus-Kritik zwischen den Action-Nummern zu fokussieren, so findet man leider wenig Gehalt. Freilich, dies könnte man als postmodernes Spiel deuten wollen, durch das der Film zu einem Lektüre-Ansatz anregt, den er selbst gar nicht einlöst – damit würde der Film mich als Publikum aber auch demotivieren, in Genrefilmen gesellschaftskritische Ansätze zu suchen.

Mir scheint es, dass das Problem des Films anderweitig liegt: Wenn Amelia, die mysteriöse Frau, die die Helden antreibt, und die Hauptkraft hinter dem Pornofilm-im-Film als hysterische Paranoikerin in Szene gesetzt wird, obwohl sie letztlich mit ihrer Verschwörungstheorie Recht behält, so gemahnt dies zunächst an einen gängigen dramaturgischen Kniff, um die Protagonisten als ignorant auszuweisen. Diese Inszenierungsstrategie kann das Publikum dazu anregen, darüber nachzudenken, wie ignorant es selbst gegenüber vergleichbaren Positionen der Systemkritik ist. Der bittere Beigeschmack resultiert jedoch daraus, dass sich zwar die Verschwörungstheorie am Ende bewahrheitet, das korrupte System aber bestenfalls ebenso grob wie stereotyp skizziert wird. (Inklusive des Problems, dass Karrierefrauen insbesondere im Vergleich zu den beiden Loser-Protagonisten nur negativ dargestellt werden.) Man könnte dies nun aber freilich als grandiosen Kommentar dazu deuten, dass heute viele wirtschaftlichen und politischen Strukturen so komplex sind, dass sie das Verständnis vieler Bürger übersteigen und jeder Versuch des Herunter-Brechens an Verschwörungstheorien gemahnt. Dann jedoch fragte ich mich, warum der Film 1977 spielt.

So manches an „The Nice Guys“ wirkt wie eine Hommage an die großen Klassiker des New Hollywood: das Spiel mit Konventionen; vor allem die Aktualisierung des Neo-Noir; der Rekurs auf die Filmgeschichte; die Dekonstruktion der Helden, während zugleich Frauen eben doch fast gar keine oder nur negativ konnotierte Rolle spielen; die exzessive Gewalt und die Inszenierung mediatisierter Gewalt; auch die klaren politischen Botschaften; ja selbst die Slapstick-Momente von Ryan Goslings Figur. Wie jedoch all dies gezeigt und erzählt wird, also im Hinblick auf seine Bildkompositionen, Montage und Narration fällt der Film eindeutig aus den 70er Jahren heraus und steht in der Tradition der Blockbuster-Ära, die eben um 1977 begann die von Avantgarde gekennzeichnete Ära des New Hollywood abzulösen. Und tatsächlich ergibt am Ende des Films, wenn Ryan Goslings Figur prophezeit, dass in einigen Jahren alles anders sein werde, diese Friktion aus Handlungszeit und historischen Indices der Ästhetik Sinn für mich: Wenn der Film seine Kritik nach 1977 projiziert, so zeigt er nicht nur Parallelen zwischen Krisen- und Umbruchsstimmung damals und heute auf, sondern erschlägt einen auch mit dem Holzhammer, dass die Kritik, die der Film so forciert artikuliert, nach wie vor aktuell ist. Die Protagonisten gestalten die Stagnation am Ende selbst mit, wenn sie wie Bauern im Spiel des Kapitalismus ein gemeinsames Geschäft gründen. Mit dieser Schlusskonfiguration wirkt „The Nice Guys“ dann doch wieder irgendwie auch ein bisschen wie große Klassiker des New Hollywood wie „Bonnie & Clyde“, „Catch 22“ oder „Night Moves“ oder zumindest wie deren ‚Porno‘-Variante für die ‚Generation Porno‘.

Peter Scheinpflug