Kritik zu „GHOSTBUSTERS“ (USA 2016) von Peter Scheinpflug

Katharina Görgen und Peter Scheinpflug teilten sich für geraume Zeit ein gemeinsames Büro und lieben Filme über alles – nur nicht dieselben Filme. Dafür streiten sie sehr gerne. Und daher schreiben sie Kritiken zu denselben Filmen. Viel Spaß beim Lesen!

Who you gonna call? Ghostbusters! Man kennt sie. Aber so hat man sie noch nie gesehen.

Früh wurde vom Marketing der Clou des Reboots eines Franchises, das längst zum Kanon der Populärkultur gerechnet werden kann, marktschreierisch verkündet: 2016 dürfen vier Powerfrauen Geister bekämpfen. Diese Umkehrung der Geschlechterrollen hätte leicht zum ebenso seichten wie ermüdenden Gag verkommen können, aber GHOSTBUSTERS ist vom ersten Schreckmoment bis zum letzten Lacher Popcorn-Hollywood vom Feinsten.

Ohne Frage steht der Film im Schatten des übermächtigen Klassikers von 1984. Und zunächst scheint 2016 alles ebenso zu beginnen: Zwei Wissenschaftlerinnen und eine introvertierte, verschrobene Ingenieurin werden der Universität verwiesen, da ihre parapsychologische Forschung nicht ernstgenommen wird. Als sich jedoch Geistererscheinungen in New York häufen, treten sie zusammen mit einer bestens in der US-amerikanischen Geschichte bewanderten Afroamerikanerin den Geistern mutig entgegen und retten als Ghostbusters New York vor der Apokalypse. So weit so ‚klassisch‘. Und doch ist von Anfang an vieles anders: Erin (Kristen Wiig), die Peter Venkman (Bill Murray) ersetzt, ist kein schleimiger Macho, der seine Experimente missbraucht, um mit attraktiven Studentinnen zu flirten. Sie will hingegen eine ernsthafte Physikerin sein und hofft auf eine Festanstellung. Dafür tritt sie ob der konservativen Tradition der Universität als biederes Mauerblümchen auf. Freilich kommt dann alles anders. Und dennoch ist nach wenigen Minuten bereits klar: Die GHOSTBUSTERS von 2016 weichen, vor allem hinsichtlich der Figurenzeichnung, deutlich von ihren männlichen Vorgängern ab. Der Film ist mithin eher ein Reboot denn ein Remake. Und das ist gut so, denn man kann sich dadurch trotz der Popularität der Vorgänger leichter darauf einlassen.

Diese Masche ist derzeit recht en vougue. Und ich meine damit nicht das Prinzip des Reboots, wie beispielsweise bei STAR TREK (USA/D 2009) oder SPIDER MAN (USA 2012 bzw. USA 2017). GHOSTBUSTERS reiht sich mit seinen vier Powerfrauen in die Serie der Action/Komödien ein, in denen ‚konventionell‘ männlich besetzte Rollen von starken Frauen gespielt werden, die nicht nur ihre männlichen Vorbilder spielend in den Schatten stellen, sondern auch das Gendering des jeweiligen Genres bzw. Franchise bei jeder Gelegenheit durch den Kakao ziehen. Regisseur und Drehbuch-Ko-Autor Paul Feig hat diese Hollywood-Erfolgsformel mit Filmen wie der Cop-Buddy-Action-Komödie TAFFE MÄDELS (USA 2013) mit Sandra Bullock und Melissa McCarthy oder der Spionage-Action-Parodie SPY: SUSAN COOPER UNDERCOVER (USA 2015) mit Melissa McCarthy maßgeblich mitgestaltet.

Und selbst in der deutschen Synchronisation hört man noch, dass mit der „Wechseljahre-Selbsthilfe-Gruppe“ vier der in den USA erfolgreichsten Comedians ihrer Generation am Werk sind. Zugegeben, bei all der Frauenpower mögen die vielen Vagina- und Cunnilingus-Wortwitze anfangs etwas gezwungen wirken. Ganz so, als müssten die Frauen zeigen, dass sie ebenso derbe Sprüche über ihre Genitalien und ihr Sexleben reißen dürfen wie ‚klassische‘ Action-Machos. GHOSTBUSTERS erreicht dabei aber glücklicherweise nie die heikle Hypersexualisierung, die 1984 kulminierte in der animalischen, dämonisierten, geil hechelnden Sigourney Weaver als ‚Torwächterin‘ sowie kultigen Altherrensprüchen wie „Da wird dem Vermieter aber der Arsch bluten“ und „Mutter, da brennt die Muschi“. Allerdings stellte ich mir dann doch die Frage, warum die rot pulsierenden, oval geformten Sensoren des passiven, aber hochsensiblen Geister-Peilgeräts an kulturelle Traditionen der vaginal kodierten Formationen anschließen und sich bei ‚Erregung‘ zum Trichter öffnen, während die aggressiven Strahler unverändert phallisch ausfallen.

Neben solchen wie 1984 alles bestimmenden, jedoch zumeist ironisch gebrochenen Gender-Verhandlungen bietet der Film überhaupt alles, was man sich von einem Blockbuster wünscht, der vor allem Unterhaltung sein will: Es gibt einige politische Einlassungen, die so pointiert ausfallen, dass der Spaß nie ins Stocken gerät. Beispielsweise wird der post-9/11-Terrorismus-Diskus wiederholt mit dem Geister-Sujet kurzgeschlossen und so seine Rationalität und Radikalität in Zweifel gezogen. Dazu gesellen sich diverse Verweise auf die Filmgeschichte und Populärkultur, die von Filmklassikern wie THE SHINING (USA 1980; R: Stanley Kubrick) und DER WEIßE HAI (USA 1975; R: Steven Spielberg) bis hin zur Queerness von Peter Pan und dem Vermächtnis von Patrick Swayze reichen. Und natürlich dürfen auch die obligatorischen Cameos der (noch lebenden) Stars von 1984 nicht fehlen. Darunter – dies wird keine/n verwundern – sticht freilich Bill Murray besonders hervor. Dies liegt auch daran, dass er, der bekanntlich die Fortsetzung der Filmserie mit ‚Originalbesetzung‘ über viele Jahre hinweg blockiert hat, ausgerechnet einen Kritiker der Ghostbusters spielt, der seine Zweifel am Ende mit dem Tod bezahlen muss. (Sorry!)

Es ist jedoch nicht der Altstar, der den Powerfrauen die Show stiehlt, sondern ein junger Kollege, der erstaunlichen Mut zur Selbstparodie zeigt: Chris Hemsworth spielt mit sichtlicher Freude einen herrlich dümmlichen Schönling, der trotz himmelschreiender Blödigkeit allein aufgrund seines famosen Aussehens von den Frauen als ‚Empfangsblondine‘ eingestellt wird. Kevin, wie das „Muskelpaket mit Babyhaut“ heißt, wird vom Film als ebenso verführerisch wie lächerlich in Szene gesetzt. Dabei streift der Film auch aktuelle Debatten über die Objektivierung von männlichen Stars, die unter ihrem Sixpack-Image ‚leiden‘, und über die sexuelle Belästigung von Männern. All das ist jedoch ob der Besetzung nur ein satirisches surplus. Denn Hemswort parodiert ebenso gekonnt wie süffisant sein eigenes Image, das er sich vor allem als halbnackter Thor hart ‚erarbeitet‘ hat. Mich dünkt: Chris Hemswort ist einfach Hammer!

Wer GHOSTBUSTERS von 1984 nicht kennt und etwas schreckhafter ist, sollte aber wissen, dass auch das Reboot von 2016 mit einigen Grusel- und Schockmomenten aufwartet, die man in dieser Intensität in einer Fantasy-Action-Komödie kaum erwartet hätte. Aber: keine Panik! Das happy ending ist freilich garantiert und geht, wie man es von früheren Filmen dieser Hollywooderfolgsformel bereits kennt, mit inniger Frauenfreundschaft statt heterosexueller Romanze einher. Das Finale fällt zwar etwas enttäuschend unspektakulär und witzlos aus, aber man sollte dennoch unbedingt im Kino sitzen bleiben: Während des Abspanns wird man belohnt mit der aberwitzigsten Szene eines Films, der insgesamt ein mehr als gelungener und überaus unterhaltsamer Blockbuster ist.

Peter Scheinpflug