Kritik zu „THE LEGEND OF TARZAN“ (USA/UK/CDN 2016) von Katharina Görgen

Katharina Görgen und Peter Scheinpflug teilten sich für geraume Zeit ein gemeinsames Büro und lieben Filme über alles – nur nicht dieselben Filme. Dafür streiten sie sehr gerne. Und daher schreiben sie Kritiken zu denselben Filmen. Viel Spaß beim Lesen!

„Ich Tarzan, du Jane“ – in den guten alten Zeiten des Kinos war eine der außergewöhnlichsten Liebesgeschichten damit quasi auserzählt.

Der Affenmann, den Hollywood für das Sommerloch wieder herausgekramt hat, ist heute natürlich ein vielschichtiger Typ, dem seine Urwald-Vergangenheit eher unangenehm ist. So bedeckt er seine durch das Laufen auf allen Vieren deformierten Hände in edlem Leder und legt Wert darauf mit seinem korrekten Titel angesprochen zu werden. Doch interessiert sich niemand für den Lord Greystoke, alle wollen sie Tarzan, inklusive seiner eigenen Gattin, die Afrika meint, wenn sie zu Hause sagt. Mit der Rückkehr zu seinen Ursprüngen – und damit auch zu einem düsteren Geheimnis aus seiner Vergangenheit – geht das Gekuschel und Gekämpfe los. Afrika kann man anscheinend auch heute noch als entfesselnd erzählen, als ein Kontinent der Urinstinkte, auf welchem Tarzan sich nicht mehr darauf beschränkt den Lieblingsvogel der guten Jane zu imitieren, sondern sich auch halbnackt an andere Aspekte des Ehelebens erinnert. In England, so scheint es, war es einfach zu kalt und das Ablegen der diversen Kleiderschichten zu aufwendig – Afrika mit seiner konstanten Wärme trägt hier erheblich zum Liebesglück und zum Schauwert des Filmes bei. Jäh unterbrochen wird es durch Janes Entführung. Um die holde Gattin zu retten, muss Tarzan sich seinen Gespenstern stellen. Diese wären nicht nur die Affenfamilie, die ihn groß gezogen hat und ihn jetzt für einen Verräter hält, sondern auch der Häuptling, dessen Sohn er einst tötete, als er noch keine Ehre hatte. Und was macht Jane währenddessen? Sitzt angekettet auf dem Boot und bekommt Besuch von einem Schmetterling. Dass sie tatsächlich auch noch ihren Bruder rettet und politisch korrekt darauf hinweist, dass ihr Widersacher keine weißen Opfer meint, wenn er keine Opfer sagt, fällt kaum ins Gewicht, denn auch in dieser neuen Fassung braucht Jane eben doch ihren Mann, um gerettet zu werden. Der läuft zu Hochform auf und stürzt sich von so vielen Bäumen, dass man sich unweigerlich fragt, was der gute Lord eigentlich in England so alles getrieben hat? Wäre Tee aus Porzellantassen trinken eine Erklärung für diese Muskelberge, würden sich ganze Horden blasser Briten im malerischen Afrika und anderswo von Baum zu Baum schwingen.

Sein Begleiter George Washington, der den königlich geduldeten Sklavenhandel im Kongo aufdecken will, hat jedenfalls erhebliche Schwierigkeiten dem blonden Hünen zu folgen. Das unumgängliche male bonding zwischen den beiden während einer der seltenen Pausen bei der Jagd durch den Dschungel wirkt angesichts Tarzans unbekleidetem Zustand verwirrend intim. So richtig hat er auch nichts zu sagen, als George Washington ihm von seinen eigenen Gräueltaten gegen die Indianer berichtet. Gut, dass just in diesem Moment eine Elefantenherde durch das Blätterdickicht dringt. Nichts hebt die Stimmung nach einem moralischen Tief wie ein Babyelefant, der einem den Rüssel hinstreckt. Derartig gestärkt geht es weiter zur finalen Schlacht, wobei auf dem Weg noch schnell alles geeint wird, was geeint werden kann: die afrikanischen Stämme miteinander, Tarzan und die Affen, die Affen und die afrikanischen Stämme. Und dann holt Tarzan noch seine restlichen Kumpels aus der Savanne, damit die wilden Tiere die Zeichen der menschlichen Zivilisation platt machen. Dass Jane sich inmitten der in die Stadt einfallenden Büffel befindet, spricht entweder für sein tiefes Vertrauen in seine große Liebe oder nur dafür, dass auch Tarzan survival of the fittest (wo er definitiv auf der sicheren Seite ist, wie diverse Aufnahmen seines nackten Torsos eindrücklich beweisen) für angemessen hält. Im Showdown kann er dann noch einmal seine Kernkompetenzen spielen lassen, sich an einem Lastzug durch die Menge schwingen, Jane retten und dann auch noch den Schurken besiegen, weil er nämlich Krokodilisch spricht. Äffisch und Elefantisch übrigens auch, sowie mindestens ein paar Brocken Löwisch. Kein Wunder also, dass Jane erneut in seine Arme sinkt und da wohl auch verharrt, bis endlich das Baby gezeugt wurde, das dem entzückenden Paar in England verwehrt wurde.

War es Afrika? War es Tarzan, der endlich wieder halbnackt durch Janes Leben läuft? Oder der Kuschelstein der toten Affenmama, der dieses kleine weiße Wunder möglich gemacht hat? Hoffen wir, dass dieses Geheimnis kein Grund für einen zweiten Teil ist, sondern zusammen mit Tarzan und der guten Jane lange tief versteckt im Dschungel bleibt.

Katharina Görgen