Respondenz-Kritik zu „SUICIDE SQUAD“ (USA 2016) von Peter Scheinpflug

Katharina Görgen und Peter Scheinpflug teilten sich für geraume Zeit ein gemeinsames Büro und lieben Filme über alles – nur nicht dieselben Filme. Dafür streiten sie sehr gerne. Und daher schreiben sie Kritiken zu denselben Filmen. Viel Spaß beim Lesen!

Ich muss gestehen, dass ich SUICIDE SQUAD eigentlich unbedingt hatte sehen wollen. Immerhin schienen zunächst die Anzeichen dafür zu sprechen, dass nach dem immensen Erfolg von Marvels GUARDIANS OF THE GALAXY (USA/UK 2014) und DEADPOOL (USA 2016) endlich auch DC einen düstereren, brutaleren, zynischeren Blockbuster mit Außenseiter-Antihelden wagen könnte. Badass-Blockbuster!

Nachdem die Nachricht der aufwendigen und teuren Nachdrehs bereits meine Hoffnungen getrübt hatte, sammelten sich nach der Premiere die negativen Stimmen. Nicht nur unter Kritiker/inne/n, sondern auch in meinem Bekanntenkreis. Nun, in der 4. Woche nach deutschem Kinostart hat Katharina Görgen mich doch noch in eine Spätvorstellung – zu früherer Uhrzeit rentiert sich die englischsprachige Version offenbar schon nicht mehr – geschleppt. Und, dies mag aber dem Shitstorm, der über den Film hereingebrochen ist, geschuldet sein, tatsächlich finde ich einige der Kritikpunkte überzogen, wenn man sich an dem dekonstruktiven Potenzial des Scheiterns des Films erfreuen kann. Einige Beispiele:

Das ‚Spiel‘ von Cara Delevingne wurde zu Recht viel gescholten. Wenn sie als Enchantress jedoch geradezu spastisch ihre Hüften zucken und kreisen lässt, dann kann absolut kein Zweifel mehr daran bestehen, dass eine neue Welt wahrhaftig ‚geboren‘ werden soll. The monstrous feminine (das monströse Weibliche) nennt das die Forschung. Und selten war hypersexualisierte Weiblichkeit so monströs wie bei Cara Delevingne. Vor ihrem gruseligen ‚Schauspiel‘ zeichnet sich überdeutlich ab, dass sowohl die schüchterne, verängstigte, des männlichen Schutzes und der männlichen Rettung bedürftige, aber dabei natürlich immer noch attraktive Blondine (lies: Heilige) als auch die Männer per Kuss in Monster verwandelnde, übersexualisierte, schwarzhaarige Hexe (lies: Hure) männliche Phantasien darstellen, deren Idealisierung keine reale je Frau verkörpern könnte. Nicht einmal ein Sternchen, dessen Job es doch eigentlich bereits ist, Wunschphantasie und Projektionsfläche zu sein.

Ähnlich dekonstruktiv lässt sich auch das Finale perspektivieren: Wenn am Ende Deadshot, gespielt von einem sichtlich unterforderten Will Smith, von der Liebe seiner Tochter und deren Wunsch, dass er heldenhafter werde, zum happy ending motiviert wird und das Team dann gemeinsam Enchantress besiegt, ist alles einfach nur over the top. Diese Hyperästhetisierung kulminiert in einer viel zu langsamen Zeitlupe, die das Zusammenspiel der Gruppenmitglieder überdramatisiert. Das Ergebnis ist kitschig und lächerlich. Doch dies ist eine Pointe: Offenbar musste die Action mit Sinn aufgeladen werden. Ein Vater verarbeitet seine Emotionen, eine Gruppe von Soziopathen und Killern rauft sich zusammen, um die Welt zu retten. Dass das Publikum an deren selbstzweckhafter Zerstörungsorgie Spaß ohne jedes moralische Urteil und ohne jede Sympathie haben durfte, war offenbar für die Macher undenkbar. Indem die Zensur dieser Amoral jedoch so überkandidelt in Szene gesetzt ist, wird sie eben auch unterlaufen und dem Spott preisgegeben. Albern ist allein der Zwang zur Zähmung der Badasses!

Von daher ist es auch mehr als schlüssig, dass etwas so banales wie ein explodierendes Implantat das Suicide Squad in Zaum halten muss. Bis zum bitteren Ende. Denn es konterkariert das bereits beschriebene happy ending, in dessen Verlauf fast alle Figuren irgendeine Art von Läuterung erfahren. Glücklicherweise hat das happy ending nämlich die Badasses nicht auf wundersame Weise in edle Helden verwandelt. Nein, sie bleiben Badasses. Und es braucht eine konkrete Todesdrohung, um sie zu kontrollieren. Alles andere würde eine sehr triviale Logik der Bekehrung der Badasses für die ‚richtige‘ Sache bedeuten und wäre überaus naiv und bedenklich.

Wirklich gut macht all dies den Film leider trotzdem noch nicht. Wie bereits GREEN LANTERN (USA 2011) kann der Film sich nicht recht entscheiden, wer als Schurke dienen soll, und fährt leider zwei Antagonisten auf. Immerzu stielt der Joker Enchantress und ihrem Bruder die Show und stellt ihre Monstrosität, ihre Bösartigkeit und ihr Bedrohungspotenzial spielend in den Schatten. Weil der Joker ohne Frage der interessantere Schurke ist, wird mehr über ihn erzählt als über Enchantress. Das ist ein Problem, da das Finale dann jedoch nicht dem Joker gilt.

Dieses Problem, zu viel für zu viele zu wollen, schadet dem Film wiederholt: Etwa die ermüdende Aneinanderreihung von Backstorys zu den Mitgliedern des Suicide Squad oder aber die einschläfernde Kette von deren Wunschphantasien, als Enchantress sie manipulieren will. Auch von einem stringenten Plot und einer Figurenentwicklung kann man kaum sprechen, da sich eigentlich nur eine Actionszene an die nächste fügt. Diese Eindimensionalität hat aber auch damit zu tun, dass das Squad einfach zu groß ist und den Figuren kein Freiraum gegeben wird, um ihre individuellen Geschicke im Gefecht zu nutzen. Stattdessen hat jede/r quasi einmal eine große, spektakuläre Actionnummer, die zugleich ihre/seine backstory wound heilt. Das Zusammenspiel einer Superhelden-Gruppe haben wir in Filmen wie X-MEN 2 (USA/CDN 2002), THE AVENGERS (USA 2012) und GUARDIANS OF THE GALAXY einfach schon viel besser gesehen.

Da die Gruppe zu groß ist, kann auch keine Figur dem Publikum adäquat näher gebracht und zum/zur Sympathieträger/in aufgebaut werden. Wer daher mit der Liebesgeschichte von Joker und Harley Quinn nicht bereits aus Zeichentrickserie oder Comics vertraut ist, mag die Kurzfassung im Film wenig überzeugend und berührend finden. Dieses Manko kann selbst durch die Starpower von Will Smith, Jared Leto und Margot Robbie kaum ausgeglichen werden.

Wirklich empfehlenswert ist der Film eigentlich nur für Fans von stupider, blutarmer Action mit schrägen Figuren, Fans von großartiger Rockmusik – ohne Frage ist der Soundtrack das eigentliche Highlight des Films – und natürlich für Comic-Fans. Allein schon die Filmvision von Alex Ross‘ ikonischem Cover von HARLEY QUINN lohnt sich ungemein. Dazu gesellen sich diverse Anspielungen auf Comics, die immer wieder für ein erheiterndes intellektuelles surplus sorgen. Wer die Comics kennt, wird zudem nicht nur weniger Lücken wahrnehmen, sondern auch so manches wie die Sprengimplantate oder auch die unglaublich boshafte Zeichnung von Amanda Waller leichter annehmen können, da der Film hier sehr nahe an den Comics liegt. Für ein Mainstream-Publikum sicherlich zu nahe und zu wenig eigenständig.

 Peter Scheinpflug