Respondenz-Kritik zu „DILWALE“ (Indien 2015) von Katharina Görgen

Katharina Görgen und Peter Scheinpflug teilten sich für geraume Zeit ein gemeinsames Büro und lieben Filme über alles – nur nicht dieselben Filme. Dafür streiten sie sehr gerne. Und daher schreiben sie Kritiken zu denselben Filmen. Viel Spaß beim Lesen!

Wenn ein Film aus Indien das Herz (Dil) im Titel hat und mit Shah Rukh Khan und Kajol auch noch eines der größten Paare der Industrie erneut zusammenführt, dann erwarten den Zuschauer ganz klar die eher großen Emotionen. Dass es diesmal jedoch nicht nur um das gefühlsproduzierende Organ gehen, sondern auch alle Fans des Action-Kinos befriedigt werden sollen, zeigen die allerersten Szenen.

Direkt nach dem stilisierten Herz, welches das D in Dilwale stellt, sehen wir Shah Rukh wild mit einer Waffe um sich schießen, bevor er aufwacht. Es steckt also mehr in dem netten Automechaniker mit einer open-air-Werkstatt in Goa, die eher wie ein Showroom für Luxusautos anmutet. Neben seiner gewalttätigen Vergangenheit ist es vor allem sein kleiner Bruder Veer, um den sich sein Leben dreht, darin hat er schließlich Erfahrung. Wie bereits in K3G springt er bei Bedarf für den Vater ein, pampert den Jungspund und steht mit Rat und Tat zur Seite. Womit wir bei Handlungsstrang zwei wären, der – Überraschung – mit Handlungsstrang eins zusammenhängt. Denn der kleine Bruder verliebt sich unsterblich in die schöne Ishita, die er im wahrsten Sinne des Wortes am Straßenrand aufsammelt. Dort steht sie zwischen blühenden Bougainvillen und braucht ganz dringend einen Retter mit ganz schnellem Auto. Besagtes Autos oder vielmehr Monstertrucks bilden dann auch die Kulisse der ersten Tanzsequenz, was das Schicksal der beiden mehr oder weniger besiegelt. Das Hindernis, dass es noch zu überwinden gilt, bevor sie für mindestens die nächsten sieben Leben vereint werden können, sind dann ausgerechnet die Geschwister, die sie so liebevoll groß gezogen haben. Wer hätte es gedacht? Die Liebe zwischen den Familien hat quasi Tradition (ebenso wie offene Hemden bei den Herren) und die Emotionen der jungen sind nichts gegen die Liebe, die die inzwischen älteren (was natürlich kaum zu erkennen ist) Vertreter der Familien verband. So groß war die Liebe zwischen Shah Rukh und Kajol, dass sie selbst das größtmögliche Hindernis kurzfristig scheinbar überwand: Sie stammen aus rivalisierenden Mafiaclans. Warum es trotz großer Gefühle schief ging, verraten die Flashbacks, in welchen Kajol zuerst den Kampf um das Gold für sich entscheidet (und auch noch auf seinen Gefühlen rumtrampelt) und den Geliebten dann ziemlich eiskalt erschießt, nachdem sie in ihm den Mörder ihres Vaters zu sehen glaubt. Doch wo Paartheraphie chancenlos geblieben wäre, findet Bollywood einen Weg die Liebenden zu vereinen. Die zwei Generationen Liebesgeschichte (und der Sidekick heiratet auch noch) fährt hierfür alles auf, was spektakuläres Unterhaltungskino braucht: Intrige, Humor und jede Menge Farbe. Ob es unter den gegebenen Umständen besonders geschmackvoll ist, die Geliebte von fremden Männern belästigen zu lassen, damit der Held sie retten kann, ist fragwürdig, ebenso wie Kajols Antwort mit dem Baseballschläger. Auch dass gerne wiederholt wird, wie teuer tolle Frauen quasi „im Unterhalt“ sind, hätte man sich sparen können. Davon aber abgesehen, schafft es Dilwale in seinen guten Momenten mit dem Starimage der beiden Hauptdarsteller zu spielen, lässig Filmgeschichte zu zitieren und Bollywood zum Stichwortgeber einer amüsanten Lügengeschichte zu machen. Interessanterer als der Film selbst waren hierbei fast die Reaktionen des teilweise eindeutig Bollywood unerfahrenen Publikums. Vor allem die Herren lachten sichtlich verstört über die emotionalen Ausbrüche auf der Leinwand und die Posen der werbenden Herren. Doch seien wir mal ehrlich: Hoffen wir nicht alle auf diesen einen Windstoß, der unser Haar malerisch flattern lässt, wenn wir einen letzten Blick auf den Geliebten werfen? Da wir uns derartige Extravaganzen abgewöhnt haben, ist es umso tröstlicher, dass in Dilwale noch immer vor Leuchtskulpturen getanzt und in Regenbögen gelegen wird. Denn dafür wurde die große Leinwand gemacht.

Katharina Görgen