Wiedersehen in Manderley- der Hitchcock-Klassiker Rebecca in der Neuauflage auf Netflix

Als ich las, dass Netflix eine Neuverfilmung des Hitchcock-Klassikers Rebecca plant, hatte ich diesen Film schon im Geiste auf meine Liste gesetzt.

Gleichzeitig habe ich mich gefragt, ob diese Neuauflage dem Ursprungswerk wohl standhalten kann. Wird man sich an dem Original und der Romanvorlage von Daphne du Maurier orientieren oder nach rund 80 Jahren ganz neue Wege einschlagen?

Einen Film neu aufzulegen, der einst unter der Regie von Alfred Hitchcock, dem „Master of Suspense“, entstand, ist zugegebenermaßen keine einfache Aufgabe. Aber die Geschichte um eine junge, aus bescheidenen Verhältnissen stammende Frau, die den reichen Maximilian de Winter heiratet und sich scheinbar nicht aus dem Schatten ihrer verstorbenen Vorgängerin Rebecca lösen kann, hat nun mal ihren Reiz und das Zeug für einen packenden Thriller. Das sah der britische Regisseur Ben Wheatly ähnlich und hat nun seinen ersten Film für Netflix geschaffen. Auch für Hitchcock war der Film einst etwas Besonderes, denn es war seine erste US-Produktion.

Hitchcock wählte Joan Fontaine und Laurence Olivier als seine Hauptdarsteller*in, Wheatly entschied sich für die Britin Lily James und den US-Amerikaner Armie Hammer. Beide sind keine Unbekannten, James wirkte unter anderem in Mamma Mia und Yesterday mit, Hammer wurde für seine Darstellung in Call Me by Your Name hochgelobt.

Wie im Original ist der Haupthandlungsort der Neuverfilmung ein Landsitz in Cornwall, Manderley. Dort angekommen sieht sich die junge Mrs. de Winter überall mit der verstorbenen ersten Ehefrau, Rebecca, konfrontiert. Ihr eigener Vorname wird übrigens zu keinem Zeitpunkt genannt. Da ihr Ehemann Maximilian nicht über den Tod Rebeccas spricht, ist die Hauptfigur darauf angewiesen, sich anhand der Beschreibungen der Bediensteten in Manderley einen Eindruck der Frau zu machen. Zunehmend ist die frischgebackene Mrs. de Winter eingeschüchtert, denn ihre Vorgängerin wird als die schönste, willensstärkste Frau beschrieben, die man je gesehen habe. Das wirkt alles andere als aufbauend und schürt die Zweifel der ohnehin schüchternen Protagonistin. Das rätselhafte Verhalten ihres Gatten und dessen Verschlossenheit bezüglich der Vergangenheit sind ebenfalls alles andere als hilfreich. Insbesondere eine Figur macht ihr das Leben schwer, und zwar die Haushälterin des Landsitzes, Mrs. Danvers.

Die Figur der Mrs. Danvers hat mit der ersten Verfilmung fast einen ikonischen Status erreicht. Danvers kennt die verstorbene Rebecca von Kindesbeinen an und ist ihr auch nach dem Tod noch verbunden. In der Ursprungsversion gelingt es der australischen Schauspielerin Judith Anderson, allein mit ihrer Mimik Spannung zu erzeugen. Nach außen hin ist sie zunächst nie direkt unfreundlich, aber allein das Spiel ihrer Augen lässt keine Zweifel daran, dass sie die neue Mrs. de Winter verabscheut und diese in ihr keine Verbündete im neuen Zuhause hat. Ihr Kostüm ist ein schlichtes schwarzes Kleid, das an die Tracht einer Ordensschwester erinnert, der Figur aber rein gar nichts Barmherziges oder Harmloses verleiht.

Die „neue“ Mrs. Danvers, verkörpert von Kristin Scott Thomas, bleibt vergleichsweise blass. Ein erster Unterschied lässt sich im Kostüm feststellen: Die von Scott Thomas dargestellte Figur wird wesentlich femininer inszeniert, mit figurbetontem Kleid und roten Lippen. Sie zeigt mehr Emotionen und erscheint dadurch nahbarer sowie menschlicher als in der Ursprungsverfilmung. Zwar ist auch sie hinterhältig und will die neue Hausherrin vertreiben, aber trotzdem wirkt sie eher harmlos. Dieses zuvor beschriebene Spiel von Judith Anderson, das einen subtilen Grusel verströmt, vermisst man bei Kristin Scott Thomas. Hier geht also ein wesentlicher Spannungs- und Faszinationsfaktor verloren.

Auffallend ist weiterhin die prunkvolle Ausstattung der Neuauflage. Die ist einerseits sehr eindrucksvoll, andererseits trägt sie nur unwesentlich zu einer besonderen Spannung bei. Mir persönlich ist es fast schon etwas „zu dick aufgetragen“. Auch die Special Effects sind zwar beeindruckend und waren sicherlich mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden, aber einen großen Mehrwert für die Geschichte und die Spannung stellen sie meines Erachtens nicht dar. Hitchcock kommt ganz ohne besonderen Prunk oder Effekte aus, seine Inszenierung fällt in Sachen Spannung aber keinesfalls zurück. Um „Suspense“ zu generieren, setzt er besonders auf ein Spiel mit Hell und Dunkel, auch Musik wird eingesetzt, um dramatische Szenen zu betonen. Er zeigt bewusst nicht zu viel, um die Vorstellungskraft der Zuschauer*innen anzukurbeln. Auch wenn die musikalische Untermalung aus heutiger Perspektive etwas altbacken wirkt, sagt mir Hitchcocks Methode mehr zu.

Ein positiver Aspekt an der Neuauflage ist die Inszenierung der Entwicklung der jungen Mrs. de Winter, die sich vor allem gegen Ende des Filmes ereignet. Auch bei Hitchcock emanzipiert sie sich und es gelingt ihr, sich für sich und ihre Liebe einzusetzen, aber Regisseur Wheatly lässt eine größere Entwicklung zu. Seine Mrs. de Winter wird aktiver, sie fährt nicht nur selbst Auto, sondern stellt auch selbst Nachforschungen bezüglich des Todes Rebeccas an. Diese divergierenden Darstellungen sind sicherlich auch der Entstehungszeit mit ihren jeweiligen Frauenbildern geschuldet. Auch das Ende in Hitchcocks Film ist vermutlich stark durch die damalige Zeit beeinflusst worden. Hier ist die Neuauflage mutiger und vielleicht auch kontroverser. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich die Filme zu Beginn noch ähneln, aber gegen Ende setzt sich die Neuverfilmung dann doch etwas deutlicher vom Original ab.

Eines transportieren beide Filme gleichermaßen, und vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich (beide) gerne sehe. Eine der Botschaften beider Filme besteht darin, dass viele Dinge nicht so sind wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen und es sich immer lohnt, sich einen eigenen Eindruck von Begebenheiten zu verschaffen. Und das ist auch 2021 noch aktuell. Wer also den nächsten Film-Abend plant: Ich kann beide Werke empfehlen!