Die Fachschaft Medienkulturwissenschaft unterstützt den offenen Brief von campus:grün köln und dem Autonomen BIPoC-Referat zur Dekolonialisierung und Entnazifizierung ausdrücklich. Aufgrund der Dringlichkeit und der Relevanz des Anliegens haben wir darüber ausführlich in der Fachschaft diskutiert und möchten hiermit über die Unterstützung der Forderungen hinaus etwas dazu beitragen.
Liebe Initiator*innen und Unterzeichner*innen des offenen Briefs „Decolonize und entnazifizier Universität zu Köln“,
wir, die Fachschaft Medienkulturwissenschaft zu Köln, möchten uns für eure Arbeit und Initiative zu diesem wichtigen Thema der Dekolonialisierung und Entnazifizierung bedanken. Wie ihr wahrscheinlich schon wisst, unterstützen wir die Forderungen aus dem offenen Brief ausdrücklich. Das Thema hat uns in der Fachschaft sehr beschäftigt, Bestürzung ausgelöst und auch Diskussionen in Gang gebracht. Dass eine Rückgabe der Gebeine von Opfern des Kolonialismus erfolgen muss sowie die entsprechenden Hörsäle umbenannt bzw. umgewidmet werden müssen, ist auch aus unserer Sicht absolut erforderlich. Wie ebenfalls in dem offenen Brief erwähnt, ist dabei auch die Sichtbarmachung der kolonialen und nationalsozialistischen Geschichte der Universität zu Köln aus unserer Sicht unerlässlich: Im Falle einer Umbenennung ist eine entsprechende Kommentierung, aus welchen Gründen die Umbenennung überhaupt erfolgen musste, deshalb möglicherweise wichtig. Ergänzend zu den Forderungen des offenen Briefs hinsichtlich der Frage, was an der Universität zu Köln zur Dekolonialisierung und Entnazifizierung notwendig ist und was auch in Zukunft darüber hinaus geschehen muss, haben wir folgende Aspekte und Vorschläge zusammengetragen. Einige davon orientieren sich an der Aufarbeitung der Geschichte an anderen Universitäten oder an daran anknüpfende, rassismuskritische Debatten.
1) Zur Rückgabe der Gebeine von Opfern des Kolonialismus in der Sammlung des Anatomischen Instituts
Leider ist die Universität zu Köln kein Einzelfall, was die Ausstellung entraubter Gebeine von Opfern der Kolonialzeit in der eigenen Sammlung anbetrifft – nach wie vor betrifft das unter anderem zahlreiche Museen und medizinische Fakultäten von Universitäten.[1] Dass auch andere Universitäten und Museen derartige Bestandteile in ihren Sammlungen führen, sollte kein Argument dafür sein, nicht tätig zu werden: Umso wichtiger ist es, dass die Universität zu Köln und das Anatomische Institut mit gutem Beispiel vorangehen, und, wie im offenen Brief bereits gefordert, intensive Provenienzforschung hierzu betreibt sowie unverzüglich Restitutionsprozesse initiiert und durchführt.[2]
2) Zur Umbenennung von Gebäuden und Hörsälen
Ein Gebäude oder einen Hörsaal nach einer Forschungspersönlichkeit zu benennen oder entsprechende Portraits aufzuhängen, stellt grundsätzlich eine Form der Anerkennung und eine Bühne dar – für die Forschung, aber auch für ein Lebenswerk. Schon aus diesem Grund sollte stets reflektiert werden: Sollte dieser Person diese Würdigung zuteilwerden? Besonders bei einer unkommentierten Widmung wird nicht erkenntlich, welche Aspekte der Forschung im Kontext kolonialen und/oder nationalsozialistischen Bestrebens stattfanden.
Aus unserer Sicht sollte deshalb entsprechend der Forderungen des offenen Briefs unbedingt eine Umbenennung der Hörsäle sowie der Robert-Koch-Mensa erfolgen – sowohl auf entsprechenden Beschilderungen als auch auf Klips. Zu der Frage, welche Namen die Hörsäle bzw. die Mensa in Zukunft tragen sollten, ist aus unserer Sicht auch zu erwägen, dass eine Benennung ohne Personennamen solche Konflikte zukünftig vermeiden kann. Soll es dennoch eine Widmung für Persönlichkeiten geben, ist die im offenen Brief erwähnte Benennung durch eine divers aufgestellte Expert*innenkommission wünschenswert.
Zur umfassenden Aufarbeitung möchten wir betonen, was im offenen Brief bereits unter dem Punkt „kritisches Sichtbarmachen“ kurz angeführt wurde: Warum wurde der Name des Hörsaals oder der Mensa verändert? Welche Aspekte innerhalb der Wissenschafts- und Universitätsgeschichte haben diesen Schritt erforderlich gemacht? Besonders, wenn die Forschung im unmittelbaren Kontext rassistischer Kolonialbestrebungen wie im Fall Robert Kochs stattfand, muss genau dieser Umstand öffentlich benannt werden – andernfalls könnte eine Auslassung sogar zu einer Verharmlosung statt zu einem kritischen Diskurs über die Kolonialverbrechen führen.[3]
Vor allem das Fallbeispiel der Mensa Robert-Koch-Straße zeigt, wie sehr die diesbezüglichen Forderungen denen zur Umbenennung von Straßennamen, die mit Kolonialismus und Nationalsozialismus in Verbindung stehen, ähnelt. Im vergangenen Jahr ist diese Debatte im Zuge der Umbenennung der Berliner „Mohrenstraße“ in „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ medial und gesellschaftlich stärker in den Fokus gerückt. Der Akt der Umwidmung ist auch hierbei als kritische Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus in der deutschen Geschichte zu verstehen. Im Zuge dessen sind auch Erklärungen und Kommentierungen vorgesehen dazu, weshalb die Umwidmung erfolgte. Auch geht es darum, dass bei der Auseinandersetzung Betroffene von Rassismus und Diskriminierung ein Mitspracherecht haben.[4]
Mit der Universität Hamburg möchten wir zuletzt ein Positiv-Beispiel einer Hochschule anführen, dem sich die Uni Köln anschließen könnte: Dort wurde im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts bereits in den 1980er Jahren damit begonnen, die Universitätsgeschichte in der NS-Zeit sowie die Kolonialgeschichte aufzuarbeiten – unter anderem in Form einer Umbenennung der Hörsäle nach in der NS-Zeit verfolgten Wissenschaftler*innen.[5] Das Beispiel zeigt, wie eine umfassende(re) Aufarbeitung gelingen kann – und vor allem, dass es für die Universität(en) höchste Zeit ist, diesbezüglich tätig zu werden.
3) Rassismuskritische Lehrinhalte zur kolonialen und nationalsozialistischen Historizität der Universität zu Köln im Studium
Die Forderungen des offenen Briefes zeigen, dass für eine umfassende Dekolonialisierung und Entnazifizierung an der Universität zu Köln noch einiges geschehen muss. Dabei ist es essenziell, dass die Initiative und die Arbeit dazu nicht allein von Aktivist*innen, Initiativen und Hochschulgruppen kommt, sondern auf einer breiteren, strukturelleren Ebene der Universität erfolgen sollte. Wir möchten uns deshalb zusätzlich für fächer- und fakultätsübergreifende Lehrinhalte aussprechen, in denen die besagte koloniale und nationalsozialistische Geschichte an unserer Universität umfassend thematisiert wird und in denen Studierende und Lehrende gemeinsam an einer Aufarbeitung mitwirken können. Darüber hinaus ist es uns ein Anliegen, dass grundsätzlich bei allen Lehrinhalten die Mitwirkenden den eigenen Forschungsgegenstand hinsichtlich kolonialer und/oder nationalsozialistischer Kontexte und Ursprünge kritisch hinterfragen.
4) Rassismuskritische Aktionen an der Universität zu Köln zur Dekolonialisierung und Entnazifizierung
Uns ist wichtig, dass sich die Universität zu Köln nicht nur intern der kolonialen und nationalsozialistischen Aufarbeitung widmet, sondern öffentlich und gemeinsam mit den Studierenden dieses Thema behandelt. Ein weiterer Vorschlag dazu, welcher über die Lehrinhalte (s. Punkt 3) hinausgeht, wäre eine fakultätsübergreifende Themenwoche, wie sie bereits 2020 in Form der digitalen Diversity-Woche gegeben hat.[6] Vorträge, Diskussionen und gemeinsame Aktionen könnten ein Zeichen setzen für die kritische Reflexion und Aufarbeitung und das Thema auch in Zeiten des digitalen Studiums in den Fokus rücken.
Wir hoffen, dass wir hiermit etwas zu den Forderungen zur Dekolonialisierung und Entnazifizierung an der Universität zu Köln über unsere Zustimmung zum offenen Brief hinaus beitragen können. Für Fragen oder Rückmeldungen sind wir unter fs-mekuwi@uni-koeln.de erreichbar.
Mit besten Grüßen
Die Fachschaft Medienkulturwissenschaft
[1] Die erste landesweite Abfrage für staatliche Einrichtungen in Baden-Württemberg macht das Ausmaß diesbezüglich deutlich: Vgl. „Museen und Unis besitzen viele Knochen aus Kolonialzeiten“ In: Süddeutsche Zeitung, 12.03.2021, https://www.sueddeutsche.de/politik/kulturpolitik-stuttgart-museen-und-unis-besitzen-viele-knochen-aus-kolonialzeiten-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210312-99-788914 (Abgerufen am 18.03.2021).
[2] Vgl. „Wir haben den Kolonialrassismus nie aufgearbeitet“ von Sonja Süß. In: Hessenschau, 25.06.2020, https://www.hessenschau.de/gesellschaft/postkoloniale-spurensuche-wir-haben-den-kolonialrassismus-nie-aufgearbeitet,post-koloniale-spuren-in-nordhessen-100.html (Abgerufen am 18.03.2021). Vorschläge oder Anträge wie der der AfD-Bundestagsfraktion mit der Forderung nach einer vermeintlich „differenzierten“ Aufarbeitung, welche gleichzeitig koloniale Verbrechen leugnen und rechtfertigen wollen, verhindern hierbei aktiv eine Aufarbeitung. Vgl. „Härten aber kein Völkermord. Deutscher Kolonialismus aus der Perspektive der AfD.“ von Aram Ziai. https://www.uni-kassel.de/fb05/uploads/media/AfD_und_Kolonialismus.pdf (Abgerufen am 18.03.2021). [3] Vgl. „Was hat denn Karlsruhe mit dem Kolonialismus zu tun?!“ von Nora Häuser. https://www.ph-karlsruhe.de/projekte/karlsruhe-postkolonial (Abgerufen am 18.03.2021).[4] Vgl. „Streitpunkt Mohrenstraße: Warum umbenennen?“ In: WDR Cosmo vom 24.06.2020, https://www1.wdr.de/radio/cosmo/magazin/specials/streit-um-strassennamen-102.html (Abgerufen am 18.08.2021).
[5] Vgl. „Gestern nicht vergessen“ von Daniel Meßner, 10.05.2019. https://www.uni-hamburg.de/newsroom/19neunzehn/2019/0510-gedenken-an-der-uni.html (Abgerufen am 18.03.2021).
[6] Vgl. https://vielfalt.uni-koeln.de/aktuelles/diversity-woche-du-machst-den-unterschied/diversity-woche-2020 (Aufgerufen am 18.03.2021).