Enttäuschung, Leid, Wut – Menschenverachtung bleibt Gesetz

Es ist in großen Teilen für verfassungswidrig erklärt worden und diskriminiert eine gesamte Community seit Jahrzehnten: das Transsexuellengesetz (TSG), veraltet, seitdem es 1981 eingeführt worden ist.

Gestern Abend haben Grüne und FDP im Bundestag einmal mehr versucht, das menschenverachtende TSG durch ein längst überfälliges Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Das neue Gesetz hätte vorgesehen, dass queere Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihren Namen ohne unnötige bürokratische, finanzielle und/oder psychische Belastung hätten ändern können. Hätten! Denn dank der Regierung und der AfD bleibt das TSG bestehen. Eine unheimliche Trinität.

Als queerer Mensch, der seit langem auf die Abschaffung des TSGs hofft und wartet, frag ich mich einmal mehr voller Wut und Enttäuschung: Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass erst am Montag der International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia (kurz: IDAHOBIT) war und SPD und CDU fröhlich Regenbogenflaggen geschwenkt haben? Sich angeblich mit der queeren Community solidarisiert haben?

„Wer montags die Regenbogenfahne schwenkt, muss mittwochs im Bundestag Taten folgen lassen.“

Sven Lehmann, queerpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.

Das war Rainbow Washing, das ist eine Farce. Und die Abstimmung wegen Corona nicht freigeben wollen, wie bei der Ehe für alle, oder dass die SPD die Schuld dem Koalitionspartner gibt, weil die Prinzipien flöten gegangen sind, sind keine Entschuldigungen. Es kann nicht sein, dass seit 40(!) Jahren Menschenrechte von Legislaturperiode zu Legislaturperiode aufgeschoben werden.

Ein Fortbestehen des TSGs bedeutet für viele trans*, inter* und genderqueere Individuen, weiterhin erniedrigende Gutachten und intimste Fragen über sich ergehen, sich begutachten lassen zu müssen wie ein Ding. Wir reden hier über Menschen, über Freund*innen, Familie, Kommiliton*innen, über reale Menschen, nicht über Objekte, die stimmlos in der Ecke stehen. Wir haben eine Stimme!

Und wenn der Bundestag, wie vor einigen Wochen, weiterhin behauptet, es gäbe keine Probleme für queere Menschen in Deutschland, hat er gestern Abend einen weiteren Beweis vorgelegt bekommen, dass dies doch der Fall ist.

Einem jeden Menschen steht Würde zu: Art 1 des Grundgesetzes. Diese Würde wurde und wird leider auch weiterhin vom TSG genommen. Von all denen, die heute gegen eine Verbesserung, gegen einen lang benötigten Wandel gestimmt haben. All die Leute, die gestern ihr Rückgrat, ihre Menschlichkeit nicht gefunden haben, sind dafür verantwortlich, dass weiterhin Menschen diskriminiert werden, unnötig horrende Summen bezahlen müssen, um die Gutachten, das Gericht und die Anwälte zu bezahlen. Menschen, die weiterhin nicht als richtiger Teil dieser Gesellschaft gesehen werden. Wir werden von den führenden Politiker*innen mit Füßen getreten und zugunsten einer peinlichen Machtpolitik ignoriert.

Um mit den Worten von Sven Lehmann zu schließen, der sich seit Jahren für die Abschaffung des TSGs einsetzt:

„Es geht nicht um irgendein Anliegen, es geht um Menschenrechte.“

Und es wird Zeit, dass diese endlich umgesetzt werden!