Es ist wieder Valentinstag. Und pünktlich wie jedes Jahr am 14.02. werden überteuerte Schokopralinen und generische Liebesbotschaften in kleinen roten Herzen zusammen mit den Leichen von Blumen verschenkt. Es liegt pure Romantik in der Luft. Es ist das Fest der kommerziellen Liebe und der romantischen Gefühle. Es wäre ja absurd davon auszugehen, dass man an einen der anderen 364 Tagen im Jahr seinen Liebsten kleine Aufmerksamkeiten schenken könnte und ihnen sagen, wie wichtig sie einem sind. Nein! Es geht nur heute. Heute ist der Tag der Liebe!
Doch wir von den Medienredaktion sind kleine Rebell*innen. Wir verbringen den Tag lieber auf der Couch oder lümmeln in unserem Lieblingssessel als in überfüllten Cafés oder Restaurants. Wir schauen lieber die kitschigsten und besten RomComs der letzten Jahrhunderte. Denn nur hier, in den Liebesfilmen unserer Herzen, findet sich noch wahre Romantik. Wahre Gefühle. Wahre Liebe. Daher lasst euch von unseren Rezensionen inspirieren. Vielleicht findet auch ihr heute hier eure wahre Liebe. Wenn nicht heute am Valentinstag, wann dann?
Der Auftragslover
Die Fülle an romantischen Filmen – und ganz besonders an RomComs – die man sich am Valentinstag zu Gemüte führen könnte, ist riesig. Einige davon gefallen mir (wie der Klassiker „Pretty Woman“), viele eher weniger. Was aber die meisten Filme dieser Art gemeinsam haben, ist neben ihrem Kitsch eine völlig utopische romantische Handlung, die dem Publikum als realistisch und lebensnah verkauft wird. Oft geht das so weit, dass der eigentliche Prozess des Sich-Verliebens und des gegenseitigen Kennenlernens gänzlich ausgeklammert wird: zwei Menschen begegnen sich, sehen sich einmal in die Augen, und nach einem Hin und Her aufgrund verschiedener Komplikationen läuten schon die Hochzeitsglocken. „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ treibt das auf die Spitze – bis zum Ende spricht Hugh Grants Charakter nur wenige Sätze mit seiner Angebeteten – und der Streifen sagt mir daher gar nicht zu. Aber statt diese Kritik weiter auszuführen, möchte ich einen Film vorzustellen, der das Genre der romantischen Komödie anders angeht. „Der Auftragslover“ aus dem Jahr 2010, mit der wunderbaren Vanessa Paradis und dem ebenso einzigartigen Romain Duris (bekannt aus „L’auberge espagnole“) in den Hauptrollen, gibt schon am deutschen Titel zu erkennen, dass er sich selbst nicht sehr ernst nimmt. Im Gegenteil: Die Geschichte um den professionellen Herzensbrecher Alex, der hauptberuflich Paare auseinanderbringt, und seinen neuesten Auftrag, die reiche Juliette, könnte konstruierter und eigentlich auch alberner nicht sein. Aber genau damit wird in dem Film gespielt, und man hat beim Zusehen sehr viel Spaß, während verschiedene romantische Klischees ins Lächerliche gezogen werden. Der Protagonist ist sympathisch, seine Verführungstaktiken unterhaltsam, und bis zum Ende bleibt die Geschichte überraschend und spannend. Der typische Humor, den man aus französischen Filmkomödien kennt, rundet das Ganze gelungen ab.
„Der Auftragslover“ ist genau die richtige Alternative für alle, die am Valentinstag lieber lachen und sich über Standard-RomComs lustig machen wollen. Und wer doch das typische männliche Love Interest vermisst, bekommt zumindest Andrew Lincoln in einer Nebenrolle zu sehen – allerdings geht sein Charakter (Spoileralarm!) wie auch schon in der Liebeskomödie „Tatsächlich… Liebe“ am Ende leider leer aus. – Sonja
Portrait of a Lady on Fire
Der französische Film Portrait of a Lady on Fire (2019) ist ein Meisterwerk epischer Schlichtheit.
Héloïse (Adèle Haenel), Tochter einer Gräfin in der Bretagne des 18. Jahrhunderts, soll verheiratet und ihr Portrait nach Mailand geschickt werden. Héloïse entzieht sich jedoch diesem Zwang und weigert sich, für ein Portrait zu posieren. Ihre Mutter (Valeria Golino) schickt nun nach der Malerin Marianne (Noémie Merlant), die Héloïse unter einem Vorwand heimlich, aus ihrer Erinnerung, porträtieren soll. Besagter Vorbehalt, Marianne solle Héloïse Gesellschaft leisten, schafft ein Bündnis zwischen den beiden Frauen, das bald zu einem leidenschaftlichen Begehren wird.
Die epische Schlichtheit, die den Film durchzieht, wird kontrastiert von dem brennenden Verlangen der beiden Liebenden. Die Bildsprache ist so malerisch, dass jedes Szenenbild als Kunstwerk gesehen werden kann; und die Filmdetails sind so liebevoll herausarbeitet, dass die Figuren zum greifen nah erscheinen. Die Filmmusik, allen voraus Vivaldi, ist auf geniale Weise diegetisch eingebunden.
Die Regisseurin Céline Sciamma klagt den Umstand, dass weibliche Künstlerinnen im 18. Jahrhundert nur Frauen malen durften und auch nur mit Frauen enge Freundschaften formen konnten, nicht an, sondern nimmt sie als Ausgangspunkt einer großen Liebesgeschichte. Weiter bezeichnet die Regisseurin ihren Film als ein Manifest über den female gaze. Denn: in jeder Einstellung wird die männliche Perspektive zugunsten einer weiblicher Sichtweise untergraben. Der Film über weibliche Liebe und Solidarität rührt zu Tränen und ist perfekt für einen regnerischen Februarabend. – Ivana
Mamma Mia!
Jedes Jahr kommt der 14.2 quasi wie aus dem Nichts. Einige Tage zuvor hingen noch vereinzelte Lichterketten in den Fenstern und die letzten Tannen, die einmal Weihnachtsbäume gewesen waren, liegen trostlos auf den Bürgersteigen deutscher Straßen. Im Gegensatz zu Heiligabend kündigt sich der Valentinstag etwas weniger pompös und langatmig an. Von jetzt auf gleich stehen die Regale voll mit Schokoherzen, hergestellt von verschiedensten Firmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, einen weiteren, zufälligen Tag im Jahr in einen fast beinahe lächerlich ertragreichen Verkaufstag zu verwandeln. Valentinstag ist aber nicht nur fürs Geschäft besonders wichtig, sondern er lehrt außerdem Singles und Paaren gleichermaßen das Fürchten. Besonders als Single wird man durch Liebesfilme und Werbung, die verliebte Pärchen in Hülle und Fülle zeigen, unter Druck gesetzt, sich doch endlich mal eine*n Partner*in zuzulegen. Paaren wird währenddessen ein weiterer Tag aufgebürdet, an den man sich nicht nur erinnern muss, sondern an dem auch andere Verpflichtungen zu erfüllen sind: einen schönen Blumenstrauß aussuchen, essen gehen und danach vielleicht noch ins Kino. In Zeiten der Pandemie verzichtet man eher auf Letzteres. Aber den allseits präsenten, schnulzigen Liebesfilmen kann man sich, so sehr man es sich wünscht, meist doch nicht entziehen. Selbst wenn man sich weigert, den Fernseher anzuschalten und irgendeinen TV-Sender anzustellen, der, wie jedes Jahr, die nächstbeste „Liebeskomödie“ mit Adam Sandler in der Hauptrolle zeigt, so bieten einem nicht einmal Netflix oder Amazon Prime Schutz. Denn auch hier wird man von der Gesamtheit an Schnulzen förmlich erschlagen. Ob Klassiker wie Dirty Dancing (1987), deutsche Komödien wie Traumfrauen (2015) oder amerikanische Liebesfilme mit einem „Twist“, der in vielen Fällen eigentlich nur beinhaltet, dass die beiden weißen, heterosexuellen Hauptcharaktere sich für egoistische Zwecke gegenseitig ausnutzen und der somit trotzdem sexistische Klischees bedient wie in Wie werde ich ihn los – in 10 Tagen? (2003) oder Selbst ist die Braut (2009).
Was sollte man aber stattdessen schauen? Man könnte sich einen Film aussuchen, der diese Klischees weniger ausgeprägt bedient oder die weniger normative Arten von Beziehungen thematisiert. Doch da stößt man schon recht schnell an seine Grenzen, es sei denn, man hat Lust, sich, zusätzlich zur Hektik des Blumenkaufs und Tische Reservierens, beim Schauen von Filmen wie Brokeback Mountain (2005) die Seele aus dem Leib zu weinen. Was also tun? Vielleicht ergibt man sich doch besser und lässt die zwei, drei Stunden Liebesdrama über sich ergehen. In so einem Fall sollte es dann wenigstens das kleinste Übel unter den Schnulzen sein. Beispielsweise lassen sich trashige Filme zumindest halbwegs ertragen, besonders, weil man sich so herrlich über sie lustig machen kann. Dafür ist Mamma Mia! (2008) der optimale Film. Schließlich ist er nicht nur der Liebesfilmklassiker schlechthin, sondern auch noch mit ABBAs größten Hits, untermalt von mehr oder weniger koordinierten Tanzszenen, gesegnet. Zugegeben, die Story ist mehr als flach und bedient auf eine schrecklich schöne Art so ziemlich alle Liebesfilmklischees: ein junges Pärchen will viel zu vorschnell heiraten, die Frau kann kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten und sucht deshalb nach einem reichen Mann, Tochter bringt Mutter und Vater wieder zusammen, alle Frauen finden einen passenden Partner, obwohl sie das vielleicht gar nicht wollten und so weiter – Ihr könnt es euch sicher vorstellen. Mamma Mia! Bietet so eine riesige Bandbreite an Szenen, die man beim Schauen wunderbar trashtalken kann. Von Pierce Brosnan als mehr oder weniger charmantes Love Interest, der beim besten Willen nur jeden zweiten Ton trifft, bis hin zu herrlich überspitzten Charakteren wie Tanya, einer Frau mittleren Alters, deren Interesse hauptsächlich jungen Männern gilt. Gerade deshalb ist Mamma Mia! der perfekte Film für den Valentinstag und stimmt sowohl diejenigen glücklich, die klassische Liebesfilme samt aller Klischees präferieren, als auch Zuschauer*innen, die das Ganze lieber nicht allzu ernst nehmen wollen. – Oliver
Penelope
Penelope (2006) scheint auf dem ersten Blick nicht viel herzuhalten. Das Poster und der Plot wirken wie ein typischer Kitsch-Film, der aus seiner Oberflächlichkeit nicht herausfindet. Und ja, Penelope ist kitschig, aber er ist auch so viel mehr.
Ein Fluch liegt auf der adeligen Familie von Penelope Wilhern (Christina Ricci): Aufgrund der Sünde eines Urahnen ist das erstgeborene Mädchen der Familie dazu verdammt, mit den Gesichtszügen eines Schweins geboren zu werden. Penelope ist das Opfer dieses unvermeidbaren Schicksals. Nachdem sie bis zum heiratsfähigen Alter weggesperrt und von jeglichem Kontakt zur Außenwelt getrennt wurde, versucht ihre Mutter (Catherine O’Hara) nun, Penelope mit dem erstbesten Mann aus Adelskreisen zu vermählen, der beim ihrem Anblick nicht schreiend Reißaus nimmt. Denn: die Hochzeit mit einem Adeligen soll angeblich Penelopes Fluch brechen. Penelope hat jedoch andere Wünsche. Sie identifiziert sich mit ihrem Aussehen und möchte viel lieber als die Person akzeptiert werden, die sie ist.
Penelope überrascht mit Witz, Zynismus und differenzierten Protagonisten, sowie mit einer deutlichen Gesellschaftskritik. Das Werk ist ein überraschend reflektierter Liebesfilm über Selbstliebe und Selbstwert. Aber auch Freunde der romantischen Komödie werden auf ihre Kosten kommen – die Beziehung der beiden Hauptfiguren (Ricci und James McAvoy) erwärmt das Herz und die Nebenfiguren (unter anderem Peter Dinklage) überzeugen mit Humor und Vielschichtigkeit. – Ivana
Isn’t It Romantic?
Isn’t it kitischig?
Was ist das Schlimmste, das einem passieren könnte? Ja genau, gegen einen Stahlpfeiler laufen, in Ohnmacht fallen und am nächsten Morgen in einem kitschigen Leben aufzuwachen, was erschreckend einem Liebesmusical gleicht.
Dies passiert zum mindestens Natalie (Rebel Wilson) in der 2019 auf Netflix erschienen Romantic Comedy. Natalie war als Kind ein großer Fan von RomComs, doch als Erwachsene musste sie die brutale Wahrheit lernen: RomComs sind nur Filme. Verfilmte Märchen, die nie passieren. Nun ist sie der Mittelpunkt ihrer eigenen RomCom. Alle singen, müssen singen, ob sie es wollen oder nicht. Wie wir alle wissen, ist dies der einzig wahre Weg seine Gefühle auszudrücken.
Neben poppigen Songs über den Sinn des Lebens (Liebe) werden brav alle anderen Klischees der Romantic Comedy abgearbeitet:
- New York ist eine saubere Stadt voller Blumen
- Natalies kleines Apartment wurde zu einem Sex and the City Apartment. Carrie wäre neidisch.
- Sie bekommt einen schwulen Sidekick und eine neidische Zicke auf der Arbeit
- Sexszenen werden herausgecuttet und die Szene springt zum nächsten Morgen, wenn der heißeste Typ der Stadt aus der dampfenden Dusche kommt. Nur mit einem Handtuch bekleidet; natürlich.
- und die wahre Liebe findet sie erst kurz vor knapp
- ach ja, und natürlich, dürfen die off-Stimme und Selbstgespräche der Hauptfigur nicht fehlen
Der Film sprüht nur so vor Zynismus und Ironie. Isn’t It Romantic nimmt auf unterhaltsame Art und Weise alle RomComs der letzten Jahrhunderte aufs satirische Korn. Es ist eine Empfehlung für all diejenigen, die Romantik eigentlich hassen, es aber lieben sich über solche Stupiditäten lustig zu machen. Und es ist auch der ideale Film für alle, die von romantischem Kitsch nicht genug bekommen können (I feel sorry for you, darling). – Æther
La La Land
Nach der Veröffentlichung von La La Land (2016) war ich skeptisch: Ein weiteres unrealistisches und aalglattes Hollywood-Musical, das zeigt, dass das „perfekte“ Leben mit einer erfüllenden und erfolgreichen Karriere und der allesüberstehenden Partnerschaft erreichbar ist, wenn man nur hart genug dafür kämpft? Noch ein Film, der betont, dass in Hollywood das Unmögliche möglich wird? Wieder ein kitschiger Streifen, mit einem Traumpaar, das zueinander findet, jegliche Hürden und Konflikte ihrer Beziehung übersteht und bis ans Ende ihrer Tage glücklich und zufrieden miteinander ist? Das waren meine Erwartungen an den Film. Falls es wirklich zu kitschig werden und es mir hochkommen sollte, war ich wenigstens mit einem Eimer bewaffnet. Also habe ich dem Film trotz allem eine Chance gegeben und was soll ich sagen: Der Film hat mich überrascht und nein, den Eimer habe ich nicht benötigt.
La La Land erzählt von Mia, gespielt von Emma Stone, die in Los Angeles wohnt, um ihren Durchbruch als Schauspielerin zu schaffen, und Sebastian, gespielt von Ryan Gosling, einem Jazz Pianistin mit dem Traum einer eigenen Jazz Bar in LA. Während sich die beiden Figuren zu Beginn des Films mehrfach unfreiwillig über den Weg laufen und sich nicht ausstehen können, so entwickelt sich langsam eine Verbindung zwischen ihnen, beruhend auf ihrer gemeinsamen Leidenschaft für LA und ihren Karriereambitionen. Sie verlieben sich, unterstützen sich gegenseitig beim Erreichen ihrer Ziele und ziehen zusammen. So weit, so gut und so typisch für einen Liebesfilm. Doch dann beginnt die Fassade zu bröckeln. Diverse Karriereentscheidungen sorgen dafür, dass das Paar sich auseinander entwickelt, bis sie schließlich überlegen müssen: Karriere oder Beziehung? Denn beides miteinander zu vereinen, scheint nicht zu funktionieren.
Ja, der Film bleibt nicht vollends von Kitsch und einer romantischen Hollywood-Illusion verschont, aber er schafft es eine Balance zu halten aus inszenierten Bühnenbildern, Farben und Musicalelementen und einer authentischen Liebesbeziehung ohne übermäßig übertrieben romantische Szenen. Also muss ich alle enttäuschen, die auf Kussszenen im Regen stehen. Regisseur Damien Chazelle schafft es, uns in eine romantisierte Version Hollywoods zu entführen, in der alles bunt und schrill ist und wo Figuren singend über ihr Leben, ihre Ziele und Beziehungen philosophieren. Dennoch macht er deutlich: Selbst in Hollywood kann man nicht alles haben. Auch hier muss man Entscheidungen treffen, die das Leben beeinflussen. Entscheidet man sich für die eine Version des Lebens, so verabschiedet man sich gleichzeitig von einer anderen. Und genau damit hat mich der Film überrascht. Der Film ist ein Liebesbrief, vor allem an Hollywood-Musicals der 1950er und 60er Jahre und holt diese Ästhetik in das zeitgenössische LA. Und der Soundtrack erst! Diesen höre ich seitdem immer wieder, denn er macht einfach gute Laune und lässt einen abdriften in das träumerische Hollywood, das Chazelle erschaffen hat. Hören kann man die Lieder eigentlich nur tanzend und singend und durch die Wohnung schwebend.
Ohne zu viel zu verraten für alle, die den Film noch nicht gesehen haben, aber noch sehen wollen: Es gibt kein typisches Happy End, aber es trifft einen genau an der richtigen Stelle. Verantwortlich dafür ist das Traumballett am Ende, dass ich gar nicht erst versuchen werde zu beschreiben. Lasst es einfach auf euch wirken. La La Land ist perfekt für alle, die sich verzaubern lassen wollen, aber keine weitere zu unrealistische Liebesgeschichte ertragen können. – Sara