Deadpool & Wolverine – Wenn das bloße Minimum ausreicht

Deadpool ist zurück und ist nicht nur zu Disney gewechselt, sondern hat auch prompt Hugh Jackman als Wolverine zurückgebracht. Mit dem Kauf von 20th Century Fox hat Disney viele der Marvel-Figuren, deren Filmrechte ursprünglich verkauft wurden, zurückgebracht und sie mit ihrem neuen Multiversum-Komplex in das Marvel Cinematic Universe integriert. Sie haben Hauptdarsteller Ryan Reynolds die Freiheit gegeben, einen dritten Deadpool Film zu drehen, aber gleichzeitig eine neue Richtung für ihre kommenden Filme vorgegeben, nachdem das MCU in letzter Zeit nicht nur in Bezug auf die Kritiken, sondern auch an den Kinokassen schlecht abgeschnitten hat. Es ist ein dritter Deadpool-Film geworden und hält in jeder Hinsicht, was er verspricht. Und auch wenn künftige Avengers-Filme ohne Blut und vulgären Humor auskommen werden, ist Deadpool & Wolverine wohl eine gute Vorschau auf das Konzept der kommenden Filme. Das Minimum des Erreichbaren soll ausreichen.

Wade Wilson hat sein Dasein als Deadpool aufgegeben. Auf diese Weise stellt er aber sicher, dass seinen Freunden nichts mehr zustößt. Doch eines Tages steht die Time Variance Authority vor seiner Tür und eröffnet Wade, dass der Tod von Wolverine (man erinnert sich an Logan aus dem Jahre 2017) langsam, aber sicher zur Auslöschung seiner Welt führen wird. Im weiten Multiversum sucht Wade daher prompt nach einem geeigneten anderen Wolverine, um so vielleicht seine Zeitlinie zu retten…

Wer Deadpool Filme kennt weiß, dass sie Vulgarität, Metahumor mit Szenen, in denen sich Deadpool oft direkt an das Kinopublikum wendet und übertrieben brutale, schwarzhumorige Kampfszenen enthalten. Davon hat Deadpool & Wolverine reichlich und greift auf alle möglichen vergangenen Filme zurück. Über weite Teile der Handlung sind Deadpool und Wolverine in der „Leere“ gestrandet und so kann hier ein Verweis und Cameo-Auftritt nach dem anderen abgefeuert werden. Auffallend ist, wie sehr sich der Film auf genau diese Auftritte verlässt, um dem Publikum die größten Reaktionen zu entlocken. Das Kalkül ist nicht, das Publikum mit Momenten zu begeistern, die sich aus der Handlung heraus entwickeln, sondern den Applaus in den Momenten zu suchen, in denen sich alle über den Auftritt einer Figur aus einem älteren Superheldenfilm freuen. Der Fan kann seinen Sitznachbarn fröhlich anstupsen und sagen: „Oh, das ist aus dem Superheldenfilm X“. Das Ziel ist immer, dem Publikum einen Dopaminschub mit Nostalgie und Wiedererkennungswert zu verpassen.

Was von der eigentlichen Handlung übrig bleibt, ist ziemlich innovationsfrei. Die Figuren landen an einem Ort und hassen sich, müssen von dort fliehen, lernen sich dabei kennen und schließlich zu respektieren. Ryan Reynolds bleibt ein passender Wade Wilson. Er ist qualitativ wirklich nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere und ist meist ein augenzwinkernder netter Held in generischen Actionfilmen ohne filmische Finesse, scheint damit aber völlig zufrieden zu sein, nervt allerdings meist gewaltig. Als Wade Wilson beweist er jedoch, dass er diese Qualitäten immer noch effektiv einzusetzen weiß, zumal Wade eine Figur ist, die seine Szenenpartner zur Weißglut treibt. Nach dem hochgelobten Abschiedsfilm Logan kehrt Hugh Jackman nun doch als Wolverine zurück. Aus einer alternativen Zeitlinie kommend, spielt er einen Logan, der seine Welt im entscheidenden Moment im Stich gelassen hat. Jackman eignet sich gut als Partner, der Wade am liebsten umbringen würde (der Kampf zwischen zwei Figuren, die sich aufgrund ihrer Heilkräfte nicht gegenseitig töten können, ist der humorvolle Höhepunkt des Films). Jackman verleiht dem Film auch seine besten Momente des Pathos. Wenn die Handlung auf emotionaler Ebene funktioniert, liegt das an ihm.

Doch der Film versucht nur halbherzig, auf emotionaler Ebene zu überzeugen. Warum sollte er sich auch lange anstrengen, wenn er dem Publikum immer einen schnellen Dopaminschub durch Referenzen geben kann. Im Moment selbst mag er durchaus Spaß machen, ich fühlte mich eigentlich gar nicht so schlecht unterhalten. Das liegt aber auch daran, dass im vollbesetzten Kinosaal eine wirklich gute Stimmung herrscht. Rückblickend bleibt nicht allzu viel übrig. Denn was ist das Ziel des Films? Er überrascht mit Figurenauftritten und hangelt sich von Metagag zu Metagag. Das ist von einem Deadpool-Film nicht anders zu erwarten, aber selbst Deadpool 2 konnte mehr Tiefe aus seiner Geschichte herausholen. Und auch in Sachen Regie ist dieser Film ein Rückschritt. Shawn Levy ist kein Regisseur mit einer klar erkennbaren Handschrift, sondern jemand, der sich nahtlos in den Produktionsprozess dieser Filme einfügt. Die Kampfszenen haben noch ihre netten Einlagen, aber vor allem die Leere mag noch so sehr auf Ähnlichkeiten zu den Mad Max-Filmen verweisen, kommt aber nicht einmal ansatzweise an deren visuelle Wucht heran. Die Landschaften sind öde inszeniert und von dynamischer Beleuchtung haben viele dieser Filme leider schon lange nichts mehr gehört. Aber darum geht es dem Film ja nicht. Es geht darum, den Fans das zu geben, was sie erwarten. Und das Mindeste, was man erwarten kann, sind Deadpool und Wolverine zusammen in einem Film, der den üblichen Humor und viele Anspielungen enthält, die einen Wiedererkennungswert aufweisen.

Der Erfolg gibt Marvel recht. Darüber kann man sich eigentlich nicht beschweren, die Leute gehen offensichtlich ins Kino, weil ihnen dieser Film gefällt. Und doch ist es ernüchternd. Das MCU gerät in Panik und wählt den sichersten Weg. Die Geschichte wird durch Verweise auf die Vergangenheit erzählt. Jede emotionale Wirkung basiert darauf, dass die Zuschauer*innen begeistert sagen können: „Das habe ich erkannt“. Ist dies ein Vorgeschmack auf das, was wir in den kommenden Avengers-Filmen erwarten können? Wir haben letztes und vorletztes Jahr gesehen, dass die erfolgreichsten Filme auch ambitionierter sein können, dass die Leute auch ins Kino strömen werden, um in sich geschlossene, befriedigende Geschichten zu sehen. Natürlich basiert Barbie auf einer IP, Avatar: The Way of Water und Top Gun: Maverick waren Fortsetzungen, und selbst wenn Oppenheimer als Drama heraussticht (und ein großartiger Film ist), konnte er sich darauf verlassen, dass Christopher Nolan der einzige derzeit arbeitende Regisseur ist, der allein mit seinem Namen so viele Menschen ins Kino locken kann. Aber es waren auch ambitionierte Filme, die sich nicht auf Nostalgie oder das Wiedererkennen von Referenzen verlassen haben. Stattdessen arbeiteten sie auf ein filmisch überzeugendes Spektakel und emotionale Höhepunkte hin. Deadpool & Wolverine strebt nur nach dem geringstmöglichen. Die Action ist durchschnittlich, visuell ist der Film kaum der Rede wert und die Geschichte reicht aus, um sie mit Referenzen und Cameos vollzustopfen. Solange man den Humor mag, ist das vielleicht ausreichend, auch ich habe ein paar Mal herzhaft gelacht. Der Dopaminrausch ist allerdings kurzlebig und verpufft nach dem Film schnell wieder. Marvel wird sich durch diesen Erfolg jedoch bestätigt fühlen. Das ist ja schön und gut, aber muss man sich damit wirklich zufrieden geben? Ist es sinnlos, auf mehr zu hoffen? Das muss jeder wohl für sich selbst beantworten.