Neues vom Film Festival Cologne 2024

Unser Autor Marius ist dieses Jahr für die Medienredaktion auf dem Film Festival Cologne unterwegs. Hier erfahrt ihr, was er dabei erlebt und welche Filme er euch weiterempfehlen kann!


Tag 1 – 19. Oktober

Es ist der 19. Oktober und ich habe meinen ersten Tag auf dem Film Festival Cologne hinter mir. Wem das Festival nicht bekannt ist: Es findet jeden Oktober statt und bietet eine breite Filmauswahl an, von denen viele dieses oder nächstes Jahr ihren Kinostart haben werden. Dabei sind alle Filmgenres vertreten, für mich ist aber natürlich vor allem der Spielfilm von Interesse. Und daher habe ich mich auch zum Filmpalast Köln begeben, dem Hauptstandort des Festivals, um mir als erstes den indischen Film All We Imagine as Light anzusehen.

All We Imagine as Light

All We Imagine as Light ist ein indischer Film der Regisseurin Payal Kapadia. Ein Film, der international viel Beachtung bekommt und es ausgerechnet in Indien selbst schwerer hat, wo er aufgrund des konservativen, mit dem Modi-Regime verbundenen Gremiums nicht als Indiens Wahl für den internationalen Oscar gewählt wurde. Er handelt von der Krankenschwester Prabha, die zusammen mit ihrer Kollegin Anu lebt. Als sie eines Tages von ihrem entfremdeten Ehemann ein Geschenk erhält, kochen die unterdrückten Emotionen wieder in ihr hoch. Anu wiederum liebt heimlich einen jungen Muslim. Die beiden begleiten eine Kollegin in ihren Heimatort am Meer und sind dabei auch selbst auf der Suche nach ihrem eigenen inneren Frieden.

Der Film setzt sich auf tief einfühlsame Weise mit einer erdrückenden Melancholie auseinander, die man mit sich in dieser zutiefst konservativen Gesellschaftsstruktur herumträgt. Ob es das Gefühl ist, trotz der kompletten Abwesenheit des Ehemanns immer noch an einen Heiratsvertrag gebunden zu sein oder die von den Eltern (welche ebenso im Film nie zu sehen sind) nicht akzeptierte Romanze über Religionsgrenzen hinaus, die Sehnsucht nach bloß ein bisschen mehr Freiheit ist den Figuren anzusehen. Und doch ist es ein wundervoller, berührender Film, der uns die Schönheit darin zeigt, allen Widerständen zum Trotz, das Beste aus dem eigenen Leben zu machen. Die Lichtblicke im Film sind zahlreich und gerade durch die mitschwingende Melancholie umso schöner. Starke schauspielerische Leistungen und ein atmosphärischer Soundtrack tragen ihren Soll dazu bei. Ich kann ihn wärmstens empfehlen. Er kommt nach momentanem Stand am 19. Dezember in die deutschen Kinos.

Bird

All We Imagine as Light sollte man ruhig eine Weile mit sich sitzen lassen, doch so sehr er es auch verdient hat, mein Zeitplan will es nicht so. Schnell musste ich nämlich den Saal wechseln, denn ich wollte Andrea Arnolds neuen Film Bird unbedingt sehen. Sie hat eine magisch-realistische Geschichte über das 12-jährige Mädchen Bailey und ihre Beziehung zu dem Vagabunden Bird gedreht. Bailey lebt mit ihren Geschwistern und ihrem sehr jungen, mal liebevoll, aber oft gereizten Vater Bug, der für sie wenig Zeit hat, da er erneut heiraten will. Als sie die etwas wunderlich wirkende Gestalt Bird kennenlernt, entsteht eine spezielle Verbindung zwischen ihnen.

Der Film erzählt eine Geschichte am Rande der Gesellschaft und hat dabei einen starken Bezug zu Andrea Arnolds eigener Heimat. Sie behandelt das Thema mit impressionistischen Momentaufnahmen und ihrem wie immer guten Gespür für Authentizität. Daraus entsteht ein leicht skurriler und sehr ambitionierter Film, der auch so ziemlich alles auf einmal sein will. Arnolds so oft effektives Chaos verliert sich in einer Reihe von Aufnahmen, die zu oft nur lose zusammenhängen. Der Film beinhaltet so viele seiner interessanten Geschichten nur am Rande, dass die Welt zwar viel Atmosphäre bekommt, kaum eine davon jedoch je in die Tiefe gehen kann. Das Gefühl kommt auf, hier wären mehrere mögliche Filme drin gewesen, denn kaum einer der Nebencharaktere geht über ein Konzept hinaus, was gerade beim Vater und Halbbruder äußerst schade ist. Franz Rogowskis magisch-realistische Figur Bird ist emblematisch für die Stärken und Schwächen des Films zugleich. Er hat die besten Szenen des Films, die zugleich aber einer ganz eigenen Geschichte dienen, die davon abzulenken scheint, worum es im Film eigentlich gehen soll. Dem Talent vor und hinter der Kamera ist es zu verdanken, wie sehr der Film sich trotz alldem lohnt. Doch gemessen an diesem Talent ist er auch eine kleine Enttäuschung. Bird soll am 20. Februar in die deutschen Kinos kommen.

Festivaltage, an denen man mehrere Filme hintereinander guckt, sind schöne Tage für jeden Filmliebhaber. Wie es sich auf die Filme auswirkt, kann aber ein zweischneidiges Schwert sein. Mal funktioniert es bestens, mal schwirrt einem der vorherige Film noch im Kopf herum und schon soll man sich auf einen anderen einlassen, ohne das Erlebnis vollends verarbeiten zu können. Nichtsdestotrotz liebe ich volle Kinotage. Und morgen, am 20. Oktober stehen bei mir dann auch gleich drei Filme auf dem Programm.