Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um sexuelle Gewalt und Vergewaltigung an Frauen, falls dies ein sensibles Thema für dich ist, lies diesen Text am besten nicht allein.
Falls du auch Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen hattest findest du hier Hilfe für Betroffene:
- Der Weiße Ring unter 116 006 (online oder persönliche Beratung)
- Verein Frauen gegen Gewalt
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 116 016
Alle Beratungsangebote sind selbstverständlich kostenlos und vertraulich.
Die Hochzeit von Gisèle und ihrem Ehemann Dominique Pélicot im Jahre 1973 sollte der Anfang eines glücklichen gemeinsamen Lebens bedeuten. Dass sie nun, 50 Jahre später, nur noch im Gericht miteinander reden würden, hat wohl niemand kommen sehen.
Der Fall um die Vergewaltigungen in Mazan, Frankreich beschäftigt momentan die ganze Welt. Gisèle Pélicot wurde im Zeitraum von 2011 – 2020 von ihrem Ehemann und mehr als 80 weiteren Männern ca. 200 mal vergewaltigt. Trotz mehrfacher Verletzungen und Gedächtnislücken konnte der Fall fast ein ganzes Jahrzehnt nicht aufgedeckt werden. Erst als Dominique wegen Upskirting* in einem Supermarkt festgenommen wurde, kam die grausame Tat ans Licht, als schließlich die Videoaufnahmen der Taten gefunden wurden. Diese fertigte der Ehemann zum einen zur Absicherung gegen die Männer und zum anderen zur eigenen Befriedigung an.
Im September 2024 begann der Prozess und Gisèles Ehemann, anders als die meisten der 50 Mitangeklagten, gestand seine Taten. Diese behaupten nun, sie hätten nichts von der Bewusstlosigkeit gewusst oder sie dachten, es sei ein sexueller Fetisch des Pärchens gewesen. Besonders erschreckend ist bei diesem Fall, dass die Täter einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen. Die Männer sind im Alter von 26-72 und aus jeglichen Berufsgruppen. Das sonst so verbreitete Bild eines Vergewaltigers als jemanden, der am Rand der Gesellschaft ist, muss nun verworfen werden. Es wird realer. Laut Studien kennen sich Opfer und Täter in 90% der Vergewaltigungsfälle.
Gisèle Pélicot selbst kannte man die ersten Wochen des Prozesses immer nur mit der runden Sonnenbrille im Gesicht. Nun hat sie die Brille abgenommen und schaut den Tätern direkt in die Augen. „Die Scham muss die Seiten wechseln“, so Pélicot. Mit ihrem starken und selbstbewussten Auftreten ist sie in kürzester Zeit ein wichtiges Gesicht in der heutigen feministischen Bewegung geworden und ziert seit Beginn des Prozesses viele Titelblätter. „Allen Opfern will ich sagen, schaut euch um. Ihr seid nicht allein.“ Dies ist einer der Gründe weshalb, sie den Prozess öffentlich führt und nun sogar die Videos der Übergriffe in den Verhandlungen gezeigt wurden.
Während sie sich im Gericht eher kühl zeigt, ist sie von den Menschenmassen, die sie täglich nach dem Gericht empfangen merklich gerührt. Sie betont hier auch immer wieder, sie würde dies nicht für sich selbst, sondern für all die anderen Frauen tun.
Regelmäßig gehen Frauen nun für Gisèle Pélicot auf die Straße und weigern sich still zu bleiben. Der Fall scheint außerdem bis in die Justiz Wellen zu schlagen. Zumindest ist eine Änderung des Gesetzes nun im Gespräch, um die rechtlichen Prozesse für Vergewaltigungsopfer zu vereinfachen.
Gisèle Pélicot hat es geschafft sich aus der typischen Rolle eines Vergewaltigungsopfers zu kämpfen und ist zum neuen Gesicht einer sich anbahnenden Bewegung geworden. Für mich ist sie schon jetzt eine feministische Ikone und mehr als bewundernswert, auch wenn es schockierend ist, dass es erst so einen Fall braucht, um die Gesetzgebung diesbezüglich zu überdenken und das generelle Bewusstsein zu stärken. Nun heißt es abwarten, ob auch die angeklagten Männer eine gerechte Strafe erhalten.
* Upskirting sind Aufnahmen des körperlichen Intimbereichs „Unter-den-Rock-Fotografieren“. Dies gilt als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung und ist in vielen europäischen Ländern strafbar. So auch in Frankreich und Deutschland.