Doktorandin Larissa Grebing im Interview: Wie Mode um 1800 die Antike neu erfand

Promovieren bedeutet, tief in ein Thema einzutauchen – in diesem Fall in die Antikenrezeption in der Mode um 1800. Wie beeinflusste die Antike Kleidung und Gesellschaft? Und welche Hürden bringt eine Promotion mit sich? Mit der Doktorandin Larissa Grebing habe ich über ihre Forschung und ihren Weg zur Promotion gesprochen.

Danke, dass du hierhergekommen bist, Larissa. Bevor wir uns dem praktischen Teil deiner Arbeit widmen: Was ist das Thema deiner Doktorarbeit, und was möchtest du mit deiner Forschung erreichen?

Meine Dissertation beschäftigt sich mit der Frage, wie die europäische Mode um 1800 von der Antike beeinflusst wurde. Besonders interessiere ich mich für die klassizistische Frauenmode – also die sogenannten à la grecque und à la romaine-Stile –, die damals in Ländern wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland populär waren. Ich untersuche, welche Vorstellung von antiker Kleidung existierte, welche Ideen und Bilder über die Antike in der Mode vermittelt wurden und wie diese wiederum von den Menschen wahrgenommen wurden.

Das klingt spannend! Also geht es nicht nur um Mode an sich, sondern auch darum, wie diese Kleidung verstanden wurde?

Genau! Mode ist nicht nur ein ästhetisches Phänomen, sondern auch ein Spiegel gesellschaftlicher Vorstellungen und Denkweisen. Ich betrachte Mode hier als eine Art „Sprache“, die bestimmte Werte, Identitäten und auch neue gesellschaftliche Muster transportiert. Meine Arbeit ist also eine Mentalitätsanalyse: Ich will herausfinden, wie sich diese „imaginierte Antike“ in der Kleidung widerspiegelte und was das über die damaligen Gesellschaften aussagt.

Was hat dein Interesse an diesem Thema geweckt? War Modegeschichte schon immer dein Forschungsinteresse?

Ja, Modegeschichte hat mich schon früh fasziniert. Während meines Kunstgeschichtsstudiums fiel mir auf, dass der sozialgeschichtliche Aspekt oft wenig berücksichtigt wurde. In meiner Bachelorarbeit habe ich die juristische Debatte über den Kleider- und Schmuckkonsum römischer Frauen während der Republik untersucht. Später, im Masterstudium, verlagerte sich mein Fokus auf die Antikenrezeption – besonders durch Exkursionen und Seminare. Meine Begeisterung für die Verbindung von Neuerer und Alter Geschichte wurde auch durch meine Beschäftigung mit Kunstgeschichte gestärkt. Besonders faszinierend finde ich, warum die Antike für spätere Gesellschaften bis heute eine so große Rolle spielt.

Korenhalle des Erechtheion, Akropolis Athen (5. Jh. v. Chr.). Ursprünglicher Aufstellungsort der Karyatiden mit Kopien, Originale im Akropolismuseum. Bildnachweis: Wikimedia Commons, Wladyslaw_Sojka, CC-BY-3.0.

Welche Methoden nutzt du, um den Einfluss der Antike auf die Mode zu untersuchen?

Meine Analyse basiert auf einer breiten Auswahl an Schrift- und Bildquellen. Ich werte Modejournale, Gemälde, Karikaturen und Modeillustrationen aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland um 1800 nach antiken Gegenwartsbezügen um 1800 aus. Dabei werden auch antike Funde wie Vasendarstellungen, Skulpturen und Wandmalereien betrachtet, um herauszufinden, wie antike Vorbilder tatsächlich adaptiert wurden und was die Faszination auslöste. Wichtig ist mir auch der epochenübergreifende Blick: Wie hat sich die Wahrnehmung der Antike über die Jahrhunderte hinweg verändert?

Mode ist immer auch Ausdruck eines Zeitgeists. Wie würdest du diesen für die Zeit um 1800 beschreiben?

Der Zeitgeist umfasst die geistigen Strömungen, Werte und Denkweisen einer Epoche. Um 1800 war die Antike ein zentrales Bezugssystem für Kunst, Politik und Mode. Klassizistische Ideale wurden als Ausdruck von Rationalität und Ordnung umgesetzt. Gleichzeitig gab es in dieser Zeit gesellschaftliche Umbrüche, etwa durch die Französische Revolution, die auch die Mode stark beeinflussten.

Wie kommt es, dass bestimmte modische Strömungen populär werden und sich schließlich als Trends durchsetzen?

Trends entstehen durch verschiedene Faktoren. Gesellschaftliche Umbrüche führen oft zu modischen Veränderungen, weil sich neue Werte und Ideale auch in der Kleidung widerspiegeln. Medien, insbesondere Modejournale, tragen zur Verbreitung bei und sorgen für eine massenhafte Umsetzung. Stilvorreiterinnen aus der Oberschicht setzen oft neue Trends, die dann durch Nachahmung weiterer Gesellschaftsschichten übernommen werden. Trotzdem sind Trends meist flüchtig – sie sind von Abwechslung geprägt und verändern sich schnell.

Gab es in der damaligen Zeit Kritik oder Widerstand gegen die klassizistische Mode?

Ja, durchaus! Männer kritisierten die Mode teils stark, Ärzte warnten sogar vor gesundheitlichen Gefahren durch die leichten Stoffe. In der Presse erschienen Karikaturen, die sich über die neuen Gewänder lustig machten. Besonders kontrovers war der Vorwurf, dass Frauen durch die Imitation antiker Kleidung nicht mehr eindeutig als „anständig“ oder „prostituiert“ erkennbar seien. Gleichzeitig beeinflussten Männer als Herausgeber von Modejournalen und als Modekorrespondenten maßgeblich, welche Trends sich durchsetzten.

Bildnis der Madame de Verninac in antikisierendem Gewand. Gemälde von Jaques-Louis David, um 1799, Louvre Paris. Bildnachweis: Wikimedia Commons, Sailko CC-BY-3.0.

Welche Vorbereitungen musstest du für die Promotion treffen? Das ist ja oft eine sehr intensive Phase mit vielen organisatorischen Herausforderungen.

Oh ja, das ist es definitiv! Die Vorbereitung für die Promotion beginnt lange vor dem eigentlichen Forschungsprozess. Zunächst musste ich mein Thema genau definieren: Was interessiert mich wirklich? Welche Forschungslücke gibt es? Und nicht zuletzt: Wie sind meine Berufschancen mit diesem Projekt? Diese Überlegungen haben mich monatelang begleitet, denn eine Dissertation ist nicht nur eine wissenschaftliche Arbeit, sondern auch eine Investition in die eigene Zukunft.

Parallel dazu habe ich als wissenschaftliche Hilfskraft am Historischen Institut gearbeitet. Das gab mir nicht nur Einblicke in die akademische Forschung, sondern half mir auch, wertvolle Kontakte zu knüpfen. Die nächste große Herausforderung war das Exposé. Dabei ging es darum, meine Ideen zu vertiefen, eine erste Quellenauswahl zu treffen und eine solide Recherchegrundlage zu schaffen. Gleichzeitig musste ich überlegen: Welche BetreuerInnen passen sowohl thematisch als auch menschlich zu meinem Projekt? Mein interdisziplinärer Ansatz erforderte zudem Kooperationen mit verschiedenen Abteilungen, was zusätzliche Abstimmungen und Gespräche bedeutete.

Das klingt nach einem komplexen Prozess. Aber eine Promotion erfordert ja nicht nur inhaltliche, sondern auch finanzielle Planung, oder?

Absolut, die Finanzierung war eine große Hürde. Ich musste Stipendien recherchieren, passende Programme auswählen und Bewerbungen schreiben – jedes mit eigenen Kriterien und vielen Unterlagen. Die Bewerbungsphase dauerte fast ein Jahr! Gleichzeitig hatte ich einen Plan B: Falls es nicht klappt, habe ich mich für Kultur- und Museumarbeit beworben und Vorstellungsgespräche geführt. Es war eine echte Belastungsprobe, aber letztendlich hat sich die ganze Mühe gelohnt.

Das zeigt, wie viel Organisation und Durchhaltevermögen in einer Promotion steckt. Nachdem die Finanzierung gesichert war – wie ging es dann weiter?

Ich habe glücklicherweise ein Stipendium von der a.r.t.e.s. Graduate School erhalten, was mir finanzielle Sicherheit gibt, aber auch die Teilnahme an interdisziplinären Seminaren erfordert. Der Austausch dort ist für mich sehr wertvoll, da er mir neue Perspektiven und methodische Ansätze eröffnet. Nun beginnt die nächste Phase: Ich werde meine Recherche auswerten und mit dem ersten Entwurf meiner Dissertation starten – eine große Herausforderung, aber auch ein spannender Schritt, um meine Erkenntnisse in eine klare Argumentation zu überführen.

Elisabeth Louise Vigée-LeBrun, Julie LeBrun as Flora, 1799, Oil on canvas, Museum purchase, Collection of the Museum of Fine Arts, St. Petersburg, Florida. Bildnachweis: Wikimedia Commons CC0.

Angesichts der Fülle an Quellen – gibt es Grenzen, die deine Forschung mit sich bringt?

Auf jeden Fall. Nicht alle Modejournale oder Zeitschriften dieser Zeit sind vollständig erhalten oder zugänglich. Auch die Vielzahl an internationalen Quellen macht eine lückenlose Erfassung unmöglich. Deshalb ist es wichtig, gezielt mit Methoden und Filtern zu arbeiten, um den Blick auf das Wesentliche und die Forschungsfrage zu bewahren.

Das klingt nach einer faszinierenden Spurensuche! Was nimmst du persönlich aus deiner Forschung mit? Hat sich dein Blick auf Mode verändert?

Definitiv. Ich sehe Mode nicht mehr nur als ästhetische Ausdrucksform, sondern als ein komplexes Kommunikationsmittel. Mode erzählt Geschichten über Gesellschaften, Werte und Identitäten. Gerade die Rezeption der Antike zeigt, wie bewusst Kleidung als Mittel genutzt wurde, um sich in eine bestimmte Tradition zu stellen oder neue Ideale auszudrücken.

Ein schöner Gedanke – Mode als Geschichtenerzählerin. Vielen Dank für das Gespräch!

*Titelbild: Jacques-Louis David, Portrait de Juliette Récamier, née Bernard (1777-1849) (unvollendet), 1800, Öl auf Leinwand, 174 × 244 cm., INV. 3708, Musée du Louvre, Paris. Bildnachweis: Wikimedia Commons, Public domain CC0.