Chimamanda Ngozi Adichie – Warum wir alle Feminist*innen sein sollten

We teach girls to shrink themselves
To make themselves smaller
We say to girls
„You can have ambition
But not too much
You should aim to be successful
But not too successful
Otherwise you will threaten the man“
Because I am female
I am expected to aspire to marriage
I am expected to make my life choices
Always keeping in mind that
Marriage is the most important
Now marriage can be a source of
Joy and love and mutual support
But why do we teach to aspire to marriage
And we don’t teach boys the same?
We raise girls to each other as competitors
Not for jobs or for accomplishments
Which I think can be a good thing
But for the attention of men
We teach girls that they cannot be sexual beings
In the way that boys are
Feminist: the person who believes in the social
Political, and economic equality of the sexes

Beyoncé – ***Flawless (2013)

Eine der größten Stimmen des intersektionellen Feminismus 

Chimamanda Ngozi Adichie gilt als eine der großen Stimmen der Weltliteratur. Beyoncé sampelt ihre Texte, Dior druckt sie auf T-Shirts. Adichie hat bereits zahlreiche Preise für ihre Literatur erhalten – darunter den „Women’s Price for Fiction“ im Jahr 2020. Zudem hat sie Angela Merkel bei einem Düsseldorfer Podiumsgespräch dazu gebracht, sich zum ersten Mal in ihrer Karriere öffentlich als Feministin zu bezeichnen. 

Adichie kam 1977 im Südosten Nigerias auf die Welt und ist dort als Tochter eines Mathematik-Professors und einer Universitätsangestellten mit fünf Geschwistern aufgewachsen. Schon mit sieben Jahren begann sie, Geschichten zu schreiben. Zunächst war sie geprägt von westlichen Geschichten und schrieb lediglich über weiße Hauptfiguren. Über die Gefahr, dass fehlende Repräsentation in Geschichten Stereotype festigen und die Vorstellungskraft einschränken, spricht sie auch in ihrem TED-Talk The danger of a single story. Erst nachdem sie auf afrikanische Autor*innen stößt, fängt sie nach deren Vorbild an, auch über ihr eigenes Leben und ihr Umfeld zu schreiben. Mit 19 Jahren zieht Adichie nach Amerika und absolviert dort ein Masterstudium in kreativem Schreiben und Afrikanistik an der Yale Universität.

Adichie tritt mittlerweile oft als Spezialistin für Feminismus und Intersektionalität auf und ist auch als Gesprächspartnerin für politische Fragen rund um Nigeria tätig. In Nigeria unterrichtet sie nun kreatives Schreiben und hat die Non-Profit-Organisation Farafina gegründet, die Lesen und Schreiben fördern – und dadurch die gesellschaftliche Entwicklung in Nigeria sensibilisieren soll. Sie betont immer wieder den einseitigen Blick der westlichen Welt auf Nigeria und den afrikanischen Kontinent insgesamt, wünscht sich mehr Differenziertheit bei der Beurteilung der komplexen politischen Situation und fordert eine bessere Infrastruktur und Bildung für ihre Landsleute.

Warum wir alle Feminist*innen sein sollten

Ihr TED-Talk We should all be feminists hat auf YouTube mittlerweile fast 8 Millionen Aufrufe und behandelt feministische und postkoloniale Kritik. In dem berühmten Monolog berichtet Adichie von Begebenheiten, in denen Männer ihr als Frau vorgezogen und als glaubwürdiger gelesen wurden. Oder Situationen, in denen sie unsichtbar war und nur dem Mann Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Sie beschuldigt eine Gesellschaft, die Menschen produziere, die glauben, Männer seien wichtiger als Frauen.

Das liegt laut Adichie überwiegend an der Erziehung. Jungen Mädchen werde beigebracht, sich kleiner zu machen und unbedrohlich zu sein. Dass die Ehe das ultimative Ziel und andere Mädchen Konkurrentinnen seien. Diesen Teil der Rede hat auch Beyoncé in ihrem Song ***Flawless zitiert. Von jungen Männern werde im Gegensatz „Härte“ erwartet, die in einem instabilen Ego resultieren kann. Für Männer solle nicht die Ehe das Ziel sein, sondern Macht und Einfluss.

Allein diese Einteilung schafft laut Adichie eine Ungleichheit, die beiden Geschlechtern schadet. Geschlechterrollen schreiben uns vor, wie wir sein sollen und vernachlässigen, wer wir wirklich sind, so Adichie. Sie schlägt vor, dass in der Erziehung eher auf Fähigkeit und Interessen als auf Geschlecht geachtet werden soll, um die Gesellschaft so in die richtige Richtung zu lenken: „Culture does not make people. People make culture.“

Die Binärität von Adichies Aussagen

Adichies Ausführungen in We should all be feminists sind streng binär gehalten. Sie spricht lediglich von „Mann“ und „Frau“ und betont wiederholt die biologischen Unterschiede der zwei Kategorien. Adichie erhielt einen kleinen Shitstorm, als sie 2017 in einem BBC Interview auf die Frage, ob trans Frauen auch als Frauen zu bezeichnen seien, antwortete: „Trans women are trans women.“ Ihr Argument dabei: trans Frauen seien zunächst privilegiert aufgewachsen, als sie noch in the closet waren. Und daher anders sozialisiert als jene, die „von Anfang an“ eine Frau gewesen seien.

Viele Gegenstimmen wurden laut und kritisierten diese Einordnung von Adichie. Die Unfreiheiten, unter denen trans Menschen – und queere Menschen generell – leiden, haben damit zu tun, dass diese Menschen als „nicht richtig“, oder „unvollständig“ gelesen werden. Der politische Slogan „Trans Frauen sind Frauen“ ist eine Selbstbehauptung dagegen: Zunächst mal sind wir komplett – dann erst anders. Er ist kein Versuch, die Unterschiede zwischen den Erfahrungen von Frauen zu übergehen, sondern ein Wunsch nach Inklusion und Respekt.

Adichie hat später ihre Aussagen differenziert und sich zu den Rechten von trans Personen bekannt.