Content note: transfeindliche Äußerungen
Sandy Stone ist vor allem bekannt für ihren Text The Empire Strikes Back: A Posttranssexual Manifesto (1987). Der Titel ihres Textes bezieht sich direkt auf Janice Raymonds transfeindliche Polemik The Transsexual Empire: The Making of the She-Male (1978). Raymond greift in ihrem Text Stone direkt an und bezeichnet sie als einen „Mann“, der in die Räume von (cis) Frauen eindringe würde. Zu dem Zeitpunkt dieser Anschuldigung arbeitete Stone bei Olivia Records, ein feministisches Musiklabel, welches lediglich Frauen vertrat und bei den nur Frauen arbeiteten. Das Label selbst wusste von Stones trans Identität und stellte sich schützend vor Sandy Stone, als Raymonds und andere transexklusive radikale Feministinnen (TERFs) ihre Entlassung forderten. Am Ende musste Stone doch gehen, da Raymond und ihre Freundinnen drohten Olivia Records zu boykottieren. Für ein kleines Nischenlabel, dessen Hauptzielgruppe Frauen und Feministinnen waren, hätte dies das Aus bedeutet. Stone begann darauf zu studieren. Ihre Antwort auf Raymonds transfeindlichen Text ist im Studium entstanden. Stone macht in The Empire Strikes Back deutlich, dass Geschlecht lediglich eine soziale, konstruierte Kategorie ist. Sie inkludiert in ihrem Text verschiedenste Ansätze aus den Gender, Queer und Feminist Studies und wählt einen poststrukturalistischen Zugang. Es entbehrt sich nicht einer gewissen Ironie, dass die Reaktion auf einen transfeindlichen Text das Fundament für die Transgender Studies legte.
Die Argumente welche Raymond gegen Stone vorbringt sind erschreckend zeitlos. Noch immer verwenden heutige TERFs eine ähnliche, transfeindliche Rhetorik. Nach Raymond seien trans Frauen Männer, die wie die Kolonisatoren in fremde Gebiete eindrängen („invaden“) und diese für sich beanspruchen würden. Dadurch entstünde eine Vergewaltigung am Körper der Frau. Hierbei geht es vermutlich eher nicht um einen materiellen Körper als um den metaphysischen Körper der Frau als eine soziale Kategorie. Aber dadurch werden lediglich herrschende Geschlechterrollen und -erwartungen gefestigt. Raymond vergleicht trans Frauen direkt mit „rapists“. Ebenso geht sie von einer paranoiden Verschwörung von trans Frauen gegen alle cis Frauen aus. Das „Empire“ plant Frauen auszulöschen. Auch noch heute bedienen sich TERFs dieser Rhetorik von dem Eindringen in Frauenschutzräume wie z.B. Frauentoiletten oder definieren Frauen lediglich über ihren Körper, wie es J.K. Rowling es getan hat: “‘People who menstruate.’ I’m sure there used to be a word for those people. Someone help[sic!] me out. Wumben? Wimpund? Woomud?” (Rowling auf Twitter, 2020). Solche Definitionen reduzieren Frauen auf ihren Körper. Ebenso übersieht diese Definition, dass nicht alle (cis) Frauen menstruieren (und dass nicht alle Personen, die menstruieren, Frauen sind), sei es wegen Schwangerschaft, einem genetischen Defekt oder der Menopause. Die Menopause tritt durchschnittlich im Alter von 52 ein. Rowling ist inzwischen 57 Jahre alt.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass TERFs eine Minderheit innerhalb des Feminismus darstellen und diese schon immer waren. Ihre Stimmen sind leider nur am lautesten und werden von Gegner*innen des Feminismus und den Nachrichten nur allzu gerne aufgenommen. Es ist viel interessanter über Feministinnen zu berichten, die den Feminismus von innen heraus zerstören als von den Erfolgen für alle Menschen, die vom Patriarchat benachteiligt sind. TERFs sind Promis, berühmte Feminist*innen wie Alice Schwarzer und J.K. Rowling oder stellen sich selbst auf ein Podest und suchen die Aufmerksamkeit des Scheinwerferlichts wie zum Beispiel Grünen Mitglied Eva Engelken. Es scheint für manche Feminist*innen schwierig zu sein über mehr als zwei Geschlechter gleichzeitig nachzudenken. Was betrüblich ist, da immerhin die Tatsache, dass es faktisch mehr als zwei Geschlechter gibt, eigentlich das ganze Genderkonstrukt zum Wanken und irgendwann zum Einstürzen bringt, wenn es nicht immer wieder erneuert werden würde. So gesehen arbeiten TERFs mit den Anhänger*innen des Patriarchats zusammen und helfen bei seiner Instandhaltung (un)bewusst mit. Aber natürlich, wenn Geschlecht lediglich ein Konstrukt ist, was bleibt dann für Feminist*innen wie den TERFs noch zu verteidigen? Nichts. Langfristig würde der Begrifft ‚Frau‘ vielleicht noch als Selbstbezeichnung existieren, aber er besäße nicht länger Macht über Menschen. Es wäre nur ein Wort, und keine Jobbeschreibung mehr, welche mensch bereits vor der Geburt aufgedrückt bekommt.
Sandy Stones Text lässt einen über die Unsinnigkeit von der strickten Unterscheidung zwischen ‚Mann‘ und ‚Frau‘ nachdenken und legt offen, dass der ärgste Feind des Feminismus nicht nur das Patriarchat ist, sondern vor allem die TERfs und *ERFs im Allgemeinen eine Schwächung des Feminismus darstellen. Stärke entsteht aus Einheit und nicht Entzweiung. Noch nie wurde ein Kampf gewonnen, wenn mensch vergisst, wofür er*sie kämpft und wer eigentlich der Feind ist: nicht trans Frauen, nicht Männern, nicht TERFs, sondern das patriarchale Machtkonstrukt, welches auch im Feminismus Wurzeln geschlagen hat. Ein Feminismus, welcher unterdrückt, stigmatisiert und Geschlechterkonstrukte unterstützt, kann nicht die Antwort und wird nicht in der Lage sein das Patriarchat zu stürzen. Wie viel anders wäre ein Matriarchat als ein Patriarchat, wenn in den Köpfen immer noch die Unterscheidung zwischen nur zwei Geschlechtern existierte?