Why dont we know these stories? Why is it that their lost lifes don‘t generate the same amount of media attention and communal outcry as the lost lives of their fallen brothers? – It’s time for a change.
Der Begriff „Intersektionalität“ verbindet gesellschaftliche und individuelle Erfahrungen. Er geht davon aus, dass soziale Kategorien wie Geschlecht, Herkunft, Klasse, Alter und Ability nicht isoliert voneinander wirken und daher zusammen gedacht werden müssen. Somit soll die Bezeichnung gesellschaftliche und individuelle Erfahrungen miteinander verbinden. Das englische Wort intersectionality leitet sich von dem Wort intersection, auf deutsch „Kreuzung“, ab. Die damit verbundene Theorie unterstützt dabei, Verstrickungen, in die Individuen eingebunden sind, zu entwirren und die Fäden zu sortieren. Im gesellschaftlichen Zusammenleben kann sie dazu beitragen, dass Menschen in realen Problemsituationen über vertraute Grenzen hinauszudenken.
Entwickelt wurde diese Theorie von Kimberlé Crenshaw. Sie ist Juraprofessorin an der UCLA und an der Columbia Law School und führende Expertin in den Bereichen Zivilrecht, Schwarze Feministische Rechtstheorie, Rassismus und Recht. Crenshaw’s Arbeit hat die Grundsteine für zwei Studienrichtungen gelegt, die durch von ihr geprägte Begriffe bekannt geworden sind: Die Critical Race Theory und die Intersektionalität. In Workshops für Menschenrechtsaktivist*innen in Brasilien und Indien sowie für Verfassungsrichter*innen in Südafrika gab sie ihre neu gewonnene Erkenntnis weiter. Ihre Arbeit zu Intersektionalität beeinflusste den Entwurf der Gleichbehandlungsklausel in der südafrikanischen Verfassung maßgeblich. Zudem verfasste sie das Hintergrundpapier zu Geschlechter- und rassistischer Diskriminierung für die Weltkonferenz gegen Rassismus (WCAR) und koordinierte die Bestrebungen einer Nichtregierungsorganisation, die beabsichtigte die Inklusion von Gender in der Konferenzdeklaration der WCAR sicherzustellen. Sie ist die Mitgründerin und Geschäftsführerin des AAPF (The African American Policy Forum) und Gründerin und Geschäftsführerin des Center for Intersectionality and Social Policy Studies an der Columbia Law School. Außerdem ist sie die Präsidentin des Center for intersectional Justice (CiJ).
Ursprünglich hatte Kimberlé Crenshaw vor allem die Überschneidung von Rassismus und Sexismus und somit insbesondere die Situation Schwarzer Frauen im Blick. Als Juristin untersuchte sie Fälle, die vor Arbeitsgerichten verhandelt wurden. Die Klägerinnen erfuhren in den Unternehmen, in denen sie arbeiteten, Benachteiligungen: als Frauen und als PoC. Rechtlich wurden Probleme wie Sexismus und Rassismus bis dahin jedoch nicht zusammengedacht. War die Rede von Rassismus, ging es meistens um männliche PoCs, bei Sexismus wurde dagegen fast ausschließlich an weiße Frauen gedacht. Crenshaw erklärte die dem Phänomen zugeordnete Theorie mit Hilfe eines Bildes: Eine Straßenkreuzung bildet den Mittelpunkt. Hier treffen verschiedene Aspekte und Erfahrungen von Diskriminierung aufeinander und verstärken sich gegenseitig. Die von Ausgrenzung betroffene Person steht in der Mitte der Kreuzung, wo sie ein hohes Unfallrisiko hat und besonders verletzlich und schutzbedürftig ist, ohne dass ihre Situation auf einfache Gründe oder eigenes Verschulden zurückgeführt werden kann. In einem TED Talk aus dem Jahr 2016 berichtet Crenshaw über einen ihr bekannten Fall:
Because Emma was female and black, she was positioned precisely where the “Sexism Road“and the “Racism Road“ overlaped, experiencing the simultaneous impact of the companies‘ gender- and race traffic. The law is like the ambulance that shows up and is
ready to treat Emma only if it can be shown that she was harmed on the Race road or on the Gender Road but not where those roads intersected.
Inzwischen ist dieses Bild der Straßenkreuzung teilweise in die Kritik geraten, da es eine klare Trennung der einzelnen Diskriminierungserfahrungen (Straßen = Stränge) suggeriert und in der Rezeption zu oft doch nur als eine Addition der Kategorien interpretiert wird. Gleichzeitig bleibt der spezifisch-juristische Kontext von Cranshaw‘s Analysen oftunbeachtet. Als Folge dieser Kritik wird beispielsweise der Begriff der Interdependenz vorgeschlagen. Er bezieht sich weniger auf die Schnittstellen, sondern fokussiert die gegenseitigen Abhängigkeiten innerhalb der Kategorien selbst. Soziale Ungleichheiten werden somit nicht mehr hierarchisch analysiert, vielmehr werden ihre Positionierungen innerhalb mehrdimensionaler Machtgefüge herausgestellt.
Mit der Entwicklung des Begriffes von Intersektionalität hat Crenshaw eine neue Perspektive auf Individuen und deren Schicksale geschaffen, die heute nicht nur in der Rechtsprechung, sondern auch bei der medialen Analyse von Film, Serie und Literatur eine wichtige Rolle spielt. Crenshaw erkannte durch ihre Arbeit als Juristin eine über Jahrhunderte bestehende Ungerechtigkeit, gab dieser einen Namen und prägte somit einen moderneren, weniger exklusiven Feminismus.