Es ist kein Geheimnis, dass die meisten aktuellen Film- und Serienklassiker, die man namentlich kennt, wie Gossip Girl, Mean Girls, The Vampire Diaries, Outer Banks, oder Pretty Little Liars, in den Hauptrollen fast schon ‚lächerlich‘ schöne Menschen casten. Wenn in Film und Serie auch mal Schauspieler*innen miteinbezogen werden, die dem Schönheitsideal nicht exakt entsprechen, ist in den meisten Fällen davon auszugehen, dass dies auch in irgendeiner Form thematisiert wird: Die Figur ist dann erstmal Außenseiter, hat vielleicht ein wahnsinniges ‚Glow-up‘ vor sich, steht jeden Tag stundenlang vorm Spiegel, kriegt keine*n Liebespartner*in ab…, damit auch ja keine*r übersieht, dass da optisch was nicht stimmt!
Da fragt man sich doch: Warum kann es nicht einmal ohne Anmerkung bleiben, dass hier gerade jemand gecastet wird, der nicht konventionell schön ist? Der Finger wird so oft darauf gezeigt, dass sich das gesellschaftliche Problem immer und immer wieder in medialen Artefakten manifestiert. Denn auch wenn der repräsentative Aspekt einleuchtend wirkt: Es geht nicht darum, immer dieselbe Geschichte von einer Person zu erzählen, die ihr Spiegelbild nicht leiden kann und auf der Suche zu sich selbst ist. Während dies viel Identifikationspotential in sich tragen kann, ist es doch auch, zumindest alleinstehend, hochgradig problematisch; wenn eine Figur nämlich lediglich auf ihren dem gesellschaftlichen Schönheitsideal entfallenen Phänotyp reduziert und die daraus entstehende Unsicherheit auf sie projiziert wird, kann ihr (dann meist eintretender) selbstbewusster Werdegang danach noch so beeindruckend sein: Von Normalisierung und Naturalisierung verschiedener Aussehens-Merkmale kann schon deswegen nicht die Rede sein, weil das gesamte Artefakt das grundsätzliche ‚Nicht-Normal-Sein‘ der Figur indirekt thematisiert. Oft steht es doch sogar schon im Namen: My Mad Fat Diary (Prime Video, 2013-2015) und Tall Girl (Netflix, 2019) sind nur zwei von vielen Beispielen, die bereits im Titel ausmachen, was am Hauptcharakter nicht in den gewöhnlichen Rahmen passt.
Es entsteht eine Unterteilung und Kategorisierung von ’schön‘ und ‚hässlich‘ in unserer Filmwelt, die sich rückhändig als “inklusiv“ kommerzialisiert. Solch welche für gewöhnlich als ‚imperfekt‘ gebrandmarkte Figuren fehlen nämlich, wenn wir die Inklusion diverser Erscheinungsbilder wirklich ernst nehmen wollen, brennend in anderen Genres, die eben nicht direkt das Thema der Hinterfragung des eigenen Selbstbilds bedienen, sondern Schauspieler*innen einfach in ihrer natürlichen Beschaffenheit machen lassen. Wir brauchen Figuren, die nicht hauptsächlich anders aussehen und nebenbei handeln, sondern im Gegenteil hauptsächlich handeln und nebenbei anders aussehen. Die nicht automatisch an sich zweifeln, nur weil ihr Spiegelbild nicht deckungsgleich mit gesellschaftlichen Erwartungen übereinstimmt, sondern andere ähnliche Herausforderungen und Lebensphasen bestreiten, wie ein Main Character, der unverkennbar (traditionell) modelreif ist, eben auch.
Die beispielhafte Vorstellung, wie beinahe zweifellos verwundert, oder sogar verärgert, Zuschauer*innen darauf reagieren würden, wenn in Outer Banks ein weniger konventionell attraktives Gruppenmitglied zu den ‚Pogues‘ hinzukäme, in Gossip Girl solch jemand neben Serena, Blair, Nate und Chuck gleichstufig mit in die ‚Glamour, Erfolg und Reichtum‘-Welt eingetaucht würde, oder wenn James Bond auf einmal mit einer konventionell weniger schönen Frau anbandeln würde, ohne dass ihr/sein ‚Anders-Sein‘ benannt wird, beweist das vorliegende Problem:
Wir leben in der Filmwelt aktuell durch die viel zu künstliche und trennscharfe Bemühung, verschiedene Ästhetiken zu integrieren, mit dem ständigen Abhaken von konventionell schönen Merkmalen einerseits und dem Abstempeln von konventionell abweichenden Merkmalen andererseits und so mit einem Schwarz und Weiß, dass genreübergreifend unbedingt mehr ineinanderfließen muss. Was meint ihr?