Frankenstein und Feminismus: Poor Things

Ein Critics‘ Choice Award, zwei Golden Globes und elf Oscar Nominierungen: Poor Things kommt bei Kritiker*innen sehr gut an! Doch hält der Film, was er verspricht? 

Poor Things kam schon im September 2023 in den USA in die Kinos, doch war erst ab dem 18. Januar auch in Deutschland zu sehen. In 141 Minuten inszeniert Regisseur Giorgos Lanthimos basierend auf dem gleichnamigen Roman von Alasdair Gray die Geschichte von Bella Baxter.

Bella, verkörpert von Co-Produzentin Emma Stone, ist das Experiment des Doktors Godwin Baxter (Willem Dafoe). Sie hat das Gehirn eines Kleinkindes, aber den Körper einer erwachsenen Frau. Wir sehen wie sie unter weiteren Experimenten, wie der Mischung aus einem Huhn und einem Hund, wohl behütet in einer Villa aufwächst. Dabei wird jeder ihrer Entwicklungsschritte genau festgehalten. Uns wird gezeigt, dass ihr Gehirn deutlich schneller altert als das von gewöhnlichen Kindern. 

Wir sehen, wie sie Schritt für Schritt erwachsen wird und anfängt sich selbst, ihren Körper und die Welt um sie herum kennenzulernen. Sie fängt an, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und möchte mit ihrem Verehrer Duncan Wedderburn, gespielt von Mark Ruffalo, verreisen. Und so beginnt Bella Baxters Odyssee hin zur Emanzipation. 

Die Exposition wird uns in schwarz-weiß gezeigt. Sobald Bella in die Außenwelt eintaucht, tauchen auch wir in die farbenfrohe Steam-Punk-Welt von Poor Things ein. Allein die liebevoll gestalteten Kostüme und das originelle Setdesign, die für atemberaubende Bilder sorgen, sind Grund genug, den Film zu schauen. Hinzukommt auch noch ein grandioser Soundtrack, der das Geschehen treffend untermauert. 

Bellas Charakterentwicklung ist die einer Befreiung. Sie lernt, sexuell selbstbestimmt zu leben und für sich einzustehen. Die Menschen in ihrem Umfeld haben dabei einen großen Einfluss auf sie. Es gibt Figuren, die sich ihr dabei in den Weg stellen, und Figuren, die sie an die Hand nehmen. Gerade Letzteres führt zu einigen rührenden Momenten auf der Leinwand. 

Bella wird im Verlauf des Films immer wieder für ihren Körper ausgenutzt. Gerade am Anfang des Films ist dies besonders befremdlich, da Bella noch das Gehirn eines Kindes hat, kaum sprechen oder richtig laufen kann – aber einige Männer des Films scheint dies nicht zu stören. Lanthimos‘ Inszenierung distanziert sich aber, zum Beispiel durch die Nutzung von weiten Fish-Eye Linsen, deutlich von dem Geschehen. Die Gesellschaftskritik ist hier nicht zu übersehen.

Neben Emanzipation und sexueller Selbstbestimmung als Leitmotiv, spricht der Film auch diverse andere gesellschaftliche Themen an, wie zum Beispiel die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Wir sehen die Welt aus Bellas Augen, den Augen eines Kindes, später Teenagers, wodurch uns Dinge wie diese auf eine originelle Art und Weise nähergebracht werden. 

Trotz der Ernsthaftigkeit der Themen oder vielleicht genau wegen dieser Ernsthaftigkeit, ist der Film sehr humorvoll gestaltet. Bellas Heraustanzen aus gesellschaftlichen Normen sorgt immer wieder für lustige Momente. Aber auch die Figur Duncan Wedderburns – die sich selbst sehr ernst nimmt, aber kaum ernst zu nehmen ist – bringt die Zuschauenden an vielen Stellen zum Lachen. 

Im Großen und Ganzen lässt sich sagen, dass mit Poor Things ein erfrischender, origineller und ästhetischer Film auf die Leinwände gekommen ist. Bellas Reise steht nicht nur vertretend für die Rolle von Frauen in unserer Gesellschaft, sondern auch für die Reise aller Menschen – da wir ja alle auf die Welt gekommen sind und irgendwie lernen müssen, mit dieser umzugehen. Sowohl die Themen als auch die Optik des Films machen Poor Things zu einer der interessantesten Veröffentlichungen der letzten Monate.