Zeit für Musik? „Musik der Zeit“! – Eine Konzertreihe des WDR-Sinfonieorchesters

In Köln kann einen das vielseitige Kulturprogramm nicht selten überfordern. Blöd nur, wenn es darin endet, nichts zu sehen und zu machen. Deshalb habe ich einen kleinen Kulturtipp für euch: Für den Fall, dass ihr etwas für und auf die Ohren sucht, bietet das WDR-Sinfonieorchester die Konzertreihe „Musik der Zeit“ an. Diese geht in insgesamt 8 Konzerten zusammen mit der „Perspektive auf die Gegenwart“ zeitgenössischer Komponist*innen der Frage nach dem Sound von heute auf den Grund. Den Auftakt bildete das Konzert, dirigiert von Gergely Madaras, mit einer Hommage an den ungarischen Komponisten und Dirigenten Péter Eötvös. Das zweite Konzert widmete sich der Kabbala, der Seele des Judentums, unter der Mitarbeit der Komponistin Sarah Nemtsov. 

Das letzte Konzert des Jahres 2023 und dritte Konzert der Reihe fand vergangenen Freitag am 01. Dezember statt. Ein Konzert unter dem Titel „Pinked Dreams“, aufgeteilt in drei Teile, geleitet von dem Dirigenten Titus Engel. Der Komponist und Posaunist Alex Paxton führte mit seinen Stücken Pullbackhat Biome-Dunk (a Chat-Can Let-Go) (2023) und Od ody Pink’d (2019) in den Abend ein. Das Besondere an diesen sind nicht nur die Titel, sondern auch die Spielweise der Musiker*innen auf der Bühne. So erklärte Alex Paxton im Vorhinein, dass zwar der Orchesterteil notiert sei, seine Soloparts jedoch frei gespielt würden. Die Anlehnung an die Improvisationskunst von Jazzkünstler*innen war kaum zu überhören. Besonders spannend war, vor allem für Laien wie mich, zu beobachten, wie Paxton mit spezifischen Dämpfern, also Aufsätzen, die in den Schalltrichter der Posaune gesteckt werden, die Klangfarben des vielseitigen Instrumentes in den richtigen Momenten auszuschöpfen wusste. 

Den zweiten Teil beherrschten die beiden Kompositionen von Frank Zappa While you were Art II (1986) und Revised Music for Low Budget Symphony Orchestra (1969) anlässlich seines 30. Todestages. Diese Stücke wurden von Andrew Digby (in 2016) und Ali N. Askin (in 1999) für das Orchester nachträglich arrangiert. Wem der Name Frank Zappa nichts sagt, bitte nicht verzagen! Hierbei handelt es sich um eines der Multitalente der Musikszene, sowohl im Bereich der Pop- als auch Klassikmusik. In seiner Musik verstand er es, Genregrenzen zu überwinden und sich im gleichen Zuge gegen Konformität, Massengeschmack und Materialismus zu positionieren. Die Stücke waren geprägt von melodischen Klängen und wurden in unterschiedlich dichter Besetzung des Orchesters auf der Bühne präsentiert. 

Den dritten thematischen Teil des Abends und gleichzeitig den zweiten Teil nach einer kleinen Pause füllte die Komponistin und Performerin Jennifer Walshe mit dem 32-minütigen Stück The Site of an Investigation (2018), eine Uraufführung dieser reduzierten Fassung und ein Kompositionsauftrag des WDRs. Wie die Berufsbezeichnung der Künstlerin schon erahnen lässt, handelte es sich hierbei nicht nur um eine rein musikalisch-auditive Aufführung, sondern auch um ein visuelles Erlebnis. Plastikmüll wurde als Instrument genutzt und anschließend über die Bühne geworfen, Walshe verändert ihre Sing- und Sprecherposition im Laufe des Stückes. Inhaltlich verarbeitet sie in dem Stück nicht gerade kleine Sujets wie Tod, Klimawandel, Digitalisierung oder den Einzug der KI in den menschlichen Alltag. Was auf den ersten Blick gewagt und vielleicht sogar etwas gewollt wirkt – auch wenn es sich um 32 Minuten, die es zu füllen gilt, handelt –, enthüllte sich als eine emotionale und anrührende Untersuchung der Gegenwart. Walshes Performance war mit Abstand das Highlight des Abends, denn sie schaffte es, diese unterschiedlichen Themen miteinander zu verbinden, melodisch aber dennoch so sehr voneinander zu trennen, dass es sich fast anfühlte, als würde man einem überaus klugen Stream-of-Consciousness der Künstlerin beiwohnen. 

Ich kann jedem nur empfehlen einem der Konzerte der Reihe „Musik der Zeit“ beizuwohnen. Auch diejenigen, die sich in ihrer freien Zeit weniger mit Konzertmusik auseinandersetzen, können an diesen Abenden einem großartigen Hörerlebnis lauschen. Für Studierende werden außerdem immer ermäßigte Preise angeboten. Und wer kein Geld ausgeben mag, aber dennoch mal reinhören will, kann auch live im WDR3 zu den Konzerten einschalten, wo diese übertragen werden.

Termine der kommenden Konzerte

4. „Atelier“

Mi. 17.01. 2024

Funkhaus Wallrafplatz, Köln

20 Uhr

Eintritt frei

5. „No Concerto“

Sa. 03.02.2024

Funkhaus Wallrafplatz, Köln

20 Uhr

Ermäßigter Eintritt 9 Euro

6. „Weltatem. Wittener Tage für Neue Kammermusik“

So. 05.05.2024

Wittener Saalbau

16 Uhr

7. „Blut“

So. 12.05.2024

Kölner Philharmonie

20 Uhr

Ermäßigter Eintritt 13 Euro

8. „Wings“

Sa. 22.06.2024

Funkhaus Wallrafplatz, Köln

20 Uhr

Ermäßigter Eintritt 9 Euro

Link zur Website der Konzertreihe „Musik der Zeit