„Clean Girl“ „That Girl“ „It Girl“ … Who’s that Girl? – Selbst(er)findung auf Social Media

Rund um die YouTuberin Kayla Shyx ist in den letzten Wochen eine Kontroverse entstanden, zumindest im World Wide Web, im echten Leben nicht so wirklich. Es geht um ihr mittlerweile heruntergenommenes Video zu dem „Clean Girl“- Trend, den sie in diesem nicht nur stark kritisiert, sondern über den sie auch ziemlich herzieht. Ein sogenanntes Clean Girl trägt ihre Haare in einem Sleek Bun, steht um 07:00 Uhr auf sogar Sonntags, macht Yoga, hat ein natürliches Make-Up, ein immer aufgeräumtes Zimmer und trägt dezente und schicke Kleidung. Die Clean-Girl-Ästhetik wird so zumindest in zahlreichen TikToks dargestellt; inwieweit viele diesem Trend wie in den Videos nachgehen bleibt fraglich, denn wer hat tagtäglich ein wirklich „cleanes“ Leben? Laut Kayla ist das eben auch ein ziemlich langweiliges und eintöniges Leben. Ihr fehlt der „spice“. Prompt hagelt es Kritik von allen Seiten. Was nimmt sie sich da raus? Sie mache sich auf Kosten anderer lustig, man könne doch andere Sachen kritisieren, der Trend tue doch niemanden weh. Die Kritik kann ich nachvollziehen und teile diese auch, doch verfehlt sie meiner Meinung nach das grundlegende Problem beziehungsweise Fragestellungen, denen wir als Gen Z intensivere Beachtung schenken und über diese nachdenken sollten.

Denn es zeigt, was die Social-Media-Welt insgesamt auszeichnet und auch problematisch macht: Die Selbst(er)findung, die dadurch angestoßen und beeinflusst wird. Kayla möchte sich in ihrem Video von den langweiligen und ihrer Meinung nach eintönigen Mädchen abgrenzen. Aber kann man ihr das ernsthaft zum Vorwurf machen oder sind wir nicht alle ein Stück weit wie sie? Social Media ist nicht nur eine Quelle der Inspiration sondern auch ein Darstellungsraum. Sehen oder Gesehen werden ist das Motto. Mit unseren Accounts wollen wir sagen: Hey hier bin ich, guck was ich cooles erlebe. Mit jeder Story, jedem Like, jedem Bild wollen wir uns zeigen. Unsere Werte, Erlebnisse, Charaktereigenschaften, Vorlieben und Interessen nicht nur entdecken, sondern auch mit der Welt teilen. Vor allen Dingen auch um zu zeigen, dass man nicht nur das langweilige Clean Girl von nebenan ist, sondern ein cooler Mensch, der sich von anderen abhebt. Nun gut, nicht alle Menschen posten auf Social Media oder manche nur extrem selten, aber der Großteil unsere Generation ist eben nicht nur Konsument*in sondern auch Creator*in. 

Die eigene Social-Media-Präsenz ist vor allen Dingen das, was man bewusst von sich teilen will – ein Selbst das man quasi eigens für Instagram und Co. kreiert und erfindet. Dieses Selbst nimmt auch auf unseren normalen Selbstfindungsprozess Einfluss, denn wieso sonst gibt es Kategorien wie Clean Girls, It Girls oder Cottage Core Girls. Mehrere Personen teilen ähnliche Interessen und bilden diese weiter durch konsumierten und geteilten Content. Auf Social Media suchen wir uns unsere Rolle aus und spielen diese, so wie es uns passt. Das Paradoxe: Wir wollen dazugehören und gleichzeitig individuell bleiben, Beispiel Kayla. Dafür wird sie jetzt zerpflückt, wobei wir uns auch an die eigene Nase fassen könnten und aktiv unseren Konsum hinterfragen sollten. 

Die Suche nach uns selbst ist verwirrend, gerade als junge Erwachsene, die vor so vielen Möglichkeiten und neuen Lebenswegen stehen. Dieses Problem hatten auch die Generationen vor uns und werden auch die Generationen nach uns haben. Nur kommt die Social-Media-Komponente neu hinzu, ständiges Vergleichen und den dazugehörigen Druck gab es auch früher, nur ist beides durch Social Media viel extremer und präsenter geworden. In Echtzeit kriegt man mit, welche Partys und coole Urlaube man verpasst. Welche soziale Auswirkungen Social Media hat wird auch deutlich an dem Satz: „Guck mal … ist mit entfolgt“ , was schon mit einem Freundschaftsabbruch gleich kommt. Außerdem vergleichen wir uns nicht nur mit Freundinnen und Freunden sondern auch mit wildfremden Influencer*innen, Microtrends und Ästhetiken. Klar ist es auch toll all das zu sehen und kann auch als Inspiration dienen. Doch die Schattenseiten, wie der ständige Druck, das Gefühl immer etwas zu verpassen oder das Vergleichen werden schnell unter den Tisch gekehrt. Sogar eine vermeintlich perfekte Influencerin, die sowohl Geld, Aussehen als auch Follower*innen hat, fällt in diese Fallstricke, und anstatt einen Diskurs über eventuelle Änderungen und Sensibilisierung des Social-Media-Konsums zu führen wird nun im Internet das getan, was oft getan wird – die Person temporär zu canceln. 

Stattdessen sollte man viel eher Social-Media-Trainings frühzeitig in Schulklassen geben und häufiger klarmachen, was für eine Scheinwelt all das ist in der wir alle mitspielen. Es macht Spaß auf Social Media zu posten und fördert auch soziale Teilhabe und Kontakte. Auch ich poste Instagram-Bilder oder schicke lustige Videos an meine Freund*innen. Die zahlreichen schwarzen Löcher, egal ob zeit- oder vergleichstechnisch, geraten zunehmend außer Acht. Vielleicht sollte stattdessen einfach der Bildschirm mal schwarz bleiben. Denn sonst steht vielleicht am Ende der Selbst(er)findung nur ein gebrochenes Selbstbewusstsein.