Von der göttlichen Komödie aka Divina Commedia des italienischen Dichters Dante Alighieri hat vermutlich schon jeder mal irgendwas gehört, und sei es nur aus Peter Greenaways Serien Adaption, Filmen wie Hinter dem Horizont, Dan Browns letzten literarischen Ergüssen (mit Tom Hanks in der Hauptrolle im Kino zu sehen) oder dem Computerspiel Dante’s Inferno. Anlass genug gibt es also, dass das Schauspiel Köln das Meisterwerk unter der Regie von Sebastian Baumgarten nun auf die Bühne bringt.
Wer die Grund-Story kennt, ist klar im Vorteil, daher an dieser Stelle die absolut reduzierte Kurzfassung des Klassikers der Weltliteratur: Die Geschichte beginnt damit, dass sich Dante in einem Wald verirrt, weil er vom rechten Weg abgekommen ist. Er trifft auf den von ihm bewunderten, römischen Dichter Vergil, den er auch direkt um Hilfe bittet. Also ziehen Dante und Vergil los und unternehmen zusammen die beschwerliche Wanderung durch die drei nach dem ptolemäischen Weltbild angeordneten Reiche des Jenseits: Die Hölle (Inferno), das Fegefeuer (Purgatorio) und das Paradies (Paradiso). Die Hölle, die wiederum in die neun Höllenkreise unterteilt ist, symbolisiert den Gang des Menschen durch Sünde, Leid und Verzweiflung. Je tiefer Dante und Vergil in die Hölle gelangen, umso größer werden die Qualen, Ängste, Verzweiflung und Strafen für die Sündigen. Nach den neun Höllenkreisen gelangen Dante und Vergil zum Fegefeuer, welches für die Läuterung durch den Glauben steht. Hier steht nun nicht mehr Vergil an Dantes Seite, sondern Beatrice, seine schöne florentinische Geliebte. Nach dem Dante auch das geschafft hat, erreicht er das Paradies. Hier soll sich die Erlösung durch die göttliche Offenbarung und Liebe ereignen. Jedoch ist der Weg durch die einzelnen Himmel mit ihren theologischen Bedeutungen und Anspielungen im Buch schon schwer zu verstehen und erst recht im Bühnenstück…
Aber jetzt zur Version von Baumgarten: Die gesamte Bühne im Depot wird von einem zweistöckigen Bürokomplex dominiert – wer des Öfteren im Depot ist, dem wird das Bühnenbild äußerst bekannt vorkommen. In großen gotischen Buchstaben prangt der Schriftzug „Via Mala“ auf dem Container-Gebilde. “Schlechter Weg” also, aha. Neben einem der Fenster hängt ein Plakat mit zwei sich kreuzenden Maschinengewehren vor arabischer Schrift. Vor dem Gebäude steht ein Autowrack mit dem Kreuzritter-Symbol, daneben eine große Grube mit Schnee, der vor sich hin schmilzt. Eine Fahrstuhltür in der Mitte mit der Aufschrift „Der Eingang bin ich…“ öffnet und schließt sich – der Eingang zu den Höllenkreisen. Dante selbst, natürlich übertrieben modern gekleidet, irgendwo zwischen Kreuzritter, Jesus – mit Kreuzmalen auf der Hand – und Dschihadist, kommt gerade aus dem Krieg zurück und hört vom Tod seiner Frau Beatrice. Traumatisiert von Krieg und Tod betreuen ihn dann netterweise die Bewohner des Bürokomplexes. Die einzelnen Personen, die Figuren des Limbus, die auch genauso gut Stimmen in Dantes Kopf sein könnten, führen quasi eine Art Therapie für den völlig verwirrten Dante durch. Glücklicherweise hat Vergil immer eine Spritze parat, um Dantes Delirium zu verlängern. Und die Reise beginnt.
Die jeweiligen Höllenkreise und die Fegefeuerstationen werden mit teilweise ganz netten Videoprojekten illustriert: ein endloser Gang einer Beton-Tiefgarage, mal tropft es, mal ziehen dunkle Wolken vorbei, mal lodert bereits das Fegefeuer auf. Viel Kunstblut gibt’s während der ganzen Geschichte natürlich auch (das Liebespaar von Rimini wird in dem bereits erwähnten Autowrack erschossen), aber auch eine beeindruckende Geräuschkulisse. Das ganze scheint wie eine Mischung aus knallbunten Comic und Grand Theft Auto – im negativen Sinne. Die mitunter banalste Szene ist wohl, als Dante seinen Tiefpunkt erreicht. Er nimmt sein Schicksal selbst in die Hand, setzt sich an die Schreibmaschine, und schreibt das Erlebte auf. Natürlich mit einer Menge Alkohol. Zu sehen kriegt der Zuschauer dieses Trauerspiel wieder dank einer abstrusen Video-Projektion.
Ziemlich fantasielos kommt dann das Paradies daher. Und endlich, nachdem man selbst als Zuschauer einige Qualen erlitten hat, stehen die Schauspieler vor einem Flügel, alle mit einem kleinem weißen Luftballon in der Hand, und trällern Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen.“ Alle scheinen zur Ruhe gekommen sein. Aber was nützt das schon, wenn die Welt einen immer wieder einholt? Mit Versatzstücken aus den aktuellen Nachrichten und einem ohrenbetäubenden Noise-Sound, der einem Weltuntergangs-Knall ähneln soll, endet das Stück.
„Dieses Werk behält seinen Ruhm, weil niemand es liest, und niemand es jemals lesen wird“, so urteilte Voltaire, nicht ganz unberechtigt, über Dantes Werk, das zwar vielfach gepriesen, jedoch nur selten komplett gelesen wird. Vielleicht sollte man es auch einfach dabei belassen. Wer sich dennoch nicht hat abschrecken lassen, kann sich ja hier mal den Trailer zu Gemüte führen.