von Simone Oger
Jan Böhmermann und sein Schmähgedicht sind gerade in aller Munde. War es noch Satire? Oder ging das von ihm Vorgetragene schon unter die Gürtellinie?
Ich finde die beiden Dinge schließen einander überhaupt nicht aus. Das Gedicht war ganz klar unter der Gürtellinie. Die folgenden Zeilen sind derb und pöbelhaft, fast schon pubertär. „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner. Er ist der Mann, der Mädchen schlägt, und dabei Gummimasken trägt. Am liebsten mag er Ziegen ficken, und Minderheiten unterdrücken, Kurden treten, Christen hauen, und dabei Kinderpornos schauen. Ja, Erdogan ist voll und ganz, ein Präsident mit kleinem Schwanz.“
Klar ist aber auch, dass Satire von maßloser Übertreibung und Überzeichnung lebt und dass genau das ein wichtiges Stilmittel ist, um einen Sachverhalt deutlich zu machen. Wer letzte Woche diese Ausgabe des Neo Magazin Royale komplett gesehen hat, versteht, dass Jan Böhmermann und sein Team nicht die Absicht hatten Erdogan ganz einfach nur zu beleidigen. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass die Beleidigung selbst absolute Nebensache war. Für mich geht es hier in allererster Linie um eine Diskussion über Presse- und Meinungsfreiheit, die aufgrund der Beleidigung neu diskutiert wird. Vor allem, wenn man die zeitliche Abfolge der Ereignisse beachtet: Die NDR-Satiresendung extra 3 sendet einen satirischen Beitrag über den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan, das türkische Außenministerium bestellt den deutschen Botschafter Martin Erdmann zu einer Unterredung nach Ankara, die Bundesregierung hält sich vorerst zurück, Grüne und Linke werfen der Bundesregierung vor, sich wegen der aktuellen Flüchtlingspolitik zurückzuhalten. Jan Böhmermann veröffentlicht sein Schmähgedicht, das ZDF zensiert und löscht diesen Teil der Sendung aus der Mediathek. Leider kein Aprilscherz, wie viele zuerst vermuten. Die Empörung schaukelt sich hoch, bis Böhmermann schließlich von der Staatsanwaltschaft angeklagt wird.
Ich finde, diese Reaktionen zeigen eindrucksvoll, wo die Grenzen der Satire in Deutschland liegen. Hinzu kommt, dass Jan Böhmermann vor der Veröffentlichung angemerkt hat, dass er diese Grenze wissentlich überschreitet. Die Schmähkritik ist also immer im Kontext mit seinem Kommentar zu sehen. Böhmermann veröffentlicht die verbotene Schmähkritik, um zu zeigen, dass der satirische Beitrag von extra 3 vollkommen legitim war. Und dass Präsident Erdogan keinen Grund hatte, sich bei dem deutschen Botschafter zu echauffieren. Das Schmähgedicht ist ein Negativbeispiel und zeigt, was eben nicht geht bei einer Satire.
Ich kann gut verstehen, wenn man der Meinung ist, dass Jan Böhmermann zu weit gegangen ist. Gerade im türkischen Kulturkreis ist der Begriff der Ehre sehr wichtig und dass Böhmermann genau diese Ehre verletzt, ist aus Erdogans Sicht sicher unverzeihlich.
Heute Morgen haben Jan Böhmermann und sein Team der bildundtonfabrik seine Teilnahme bei der Grimme Preisverleihung in Marl abgesagt. Das finde ich traurig und schade, denn auch wenn er mit seinem Schmähgedicht zu weit gegangen ist, hat er wieder einmal aufgezeigt, was eine einfache Satire auslösen kann und wie Politik die Pressefreiheit beeinflusst.