Im Dezember kam auf Netflix ein neuer Hit raus: The Prom. Eine großartige, bildgewaltige, fulminante, farbenfrohe, bunte, queere Musicaladaption mit Stars wie Meryl Streep, Nicole Kidman und James Corden. Aber von kritischen Stimmen wird der Film geradezu verrissen. Der Film sei homofeindlich und stelle eine Pseudo-Repräsentation der queeren Community dar. Wie kann das sein? Immerhin gibt es zwei homosexuelle Hauptfiguren.
Aber bevor wir diese bedeutsame Frage klären, einen Schritt zurück: Um was geht es überhaupt in The Prom?
Abstrahiert gesagt geht es in dem Film um eine Gruppe von heterosexuellen Menschen (und einem überzogenen und klischeehaften Schwulen, der von einem heterosexuellen Mann gespielt wird), die sich aufmachen einer traurigen Lesbe (Emma) zu helfen, um ihr eigenes Image aufzupolieren. Überraschenderweise geht es im Rest des Films relativ wenig um Emma, sondern primär um die Gruppe an heterosexuellen Menschen (und einem überzogenen und klischeehaften Schwulen, der von einem heterosexuellen Mann gespielt wird).
Diese kurze Zusammenfassung des Films enthält direkt zwei der Antworten auf unserer Leitfrage, um den tragischen Fall des Subjekts The Prom aufklären zu können:
Erstens: Die einzige schwule Figur im ganzen Film wird als klischeehaft und überzogen dargestellt (hohe Stimme, extrovertiertes feminines Verhalten, kennt sich mit Mode aus, Sidekick einer starken Frau). Und dann wird die Rolle noch von einem heterosexuellen Mann gespielt. Mutig ist das nicht, sondern zeugt von Ignoranz. Ignoranz gegenüber queeren Menschen, die auch ein Recht darauf haben in Film und Serien endlich wirklich repräsentiert zu werden; und nicht nur als eine Figur, sondern auch in Form des Schauspielers*der Schauspielerin, der*die diese Figur verkörpert (wie es zum Beispiel in der Musicalvorlage es der Fall war). Aber vermutlich waren einfach alle anderen geeigneten schwulen/queeren Schauspieler*innen zu beschäftigt gewesen, um die Rolle spielen zu können.
Zweitens: Die eigentliche lesbische Hauptfigur des Films, Emma, steht nicht mal annähernd im Fokus des Films. Sie scheint vielmehr ein Mittel zum Zweck zu sein. Ein Zweck, um eine Handlung für die vier Menschen liefern zu können, die Emma vollkommen dominieren und die Show stehlen. Emma ist nur ein stupider PR-Gag, der zufälligerweise lesbisch ist. Die meiste Zeit des Films ist sie nicht zu sehen, und wenn dann doch mal, ist sie bloß der Sidekick.
Überdies kommt zu diesen beiden Beobachtungen noch hinzu, dass es im gesamten Film nur zwei Küsse gibt: einen Kuss zwischen zwei heterosexuellen Figuren und einen zum Abschluss des Films zwischen Emma und ihrer Freundin, obwohl von der Spannung und Dramaturgie im Film die Zuschauer*innen mehrfach das Gefühl hatten: „So, endlich küssen sie sich!“; nur um wiederholt durch irgendeinen fadenscheinigen Grund abgewürgt zu werden. Beinahe könnte mensch meinen, dass die Macher*innen des Films Angst davor hatten zu viele homoromantische Interaktionen öffentlich zu zeigen.
Sollte mensch sich also diesen Film ansehen? Es lässt sich nicht leugnen, dass The Prom einem einen Gute-Laune-Kick verschafft, wenn wir unreflektiert darüber nachdenken, und einfach nur eine Ablenkung vom Alltag brauchen. Eine Ablenkung, die wir aktuell alle von Zeit zu Zeit dringend brauchen. Doch sollten wir beim Anschauen des Films nicht vergessen, welche langwierige Problematik bei diesem Film die ganze Zeit mitschwingt. Pseudo-Queer-Repräsentation ist kein neues Problem der Filmbranche.
The Prom ist seit dem 2.12.2020 auf Netflix zu sehen. Länge: 132 min. Regie: Ryan Murphy. Mit Vorsicht zu genießen.