Buchverfilmungen – Bei diesem Stichwort hat jeder mindestens ein Beispiel im Kopf. Romantische Idyllen und Hochzeiten bei Jane Austen oder actiongeladene Spannung in The Witcher. Buchverfilmungen können bei Fans der Bücher eine Bandbreite an Gefühlen hervorrufen und heiße Diskussionen entfachen. So auch bei uns in der Redaktion. Aus diesem Grund präsentieren euch unsere Autor*innen im Rahmen der Filmklassiker-Reihe Buchverfilmungen. Sie sagen, was gut funktioniert und was weniger.
Mit dabei: Stolz und Vorurteil (1995), The Perks of Being a Wallflower (2012), The Great Gatsby (2013), Good Omens (2019-), Sherlock (2010-)
Stolz und Vorurteil (1995)
Den Inhalt und die Stimmung eines Romans in einen Film zu übersetzen, die Handlung an den richtigen Stellen zu kürzen und zu ergänzen – das ist schwierig bis scheinbar unmöglich. Besonders die Verfilmungen von vielgelesenen und vielgeliebten „Klassikern“ können das kritische Publikum oft nicht überzeugen. Die Liebes- und Gesellschaftsromane der britischen Schriftstellerin Jane Austen wurden beispielsweise über 50-mal verfilmt, von ihrem bekanntesten Buch „Stolz und Vorurteil“ gibt es mehr als 10 Filmversionen. Davon haben noch nicht einmal alle den ursprünglichen Anspruch, den Roman originalgetreu wiederzugeben (siehe „Lost in Austen“ [2008] oder „Stolz und Vorurteil und Zombies“ [2016]). Wenn es in meinen Augen aber eine Verfilmung gibt, die nicht nur inhaltlich, sondern vor allen Dingen hinsichtlich der beim Publikum entstehenden Stimmung ihrer Vorlage so treu wie möglich ist, dann ist es der Mehrteiler „Stolz und Vorurteil“ aus dem Jahr 1995. Eine ausgezeichnete Besetzung mit Jennifer Ehle als Elizabeth Bennet und Colin Firth als Fitzwilliam Darcy, authentischen Drehorten auf dem englischen Land, ein wunderschöner Soundtrack und ein sehr gelungenes adaptiertes Drehbuch machen die BBC-Miniserie zu einer hervorragenden Literaturverfilmung. Sie hält sich eng, aber nicht zu eng an Austens Romanvorlage, sodass der Inhalt vollständig wiedergegeben wird, und dennoch keine Länge entstehen. Wer Buch und Film kennt, der*die weiß: Colin Firths Schwimmszene im See vor Pemberley hätte Jane Austen sich so nie und nimmer ausgedacht. Aber wirklich aus dem Rahmen fällt sie trotzdem nicht. Sie gibt die Atmosphäre aus dem Roman genau wieder; verstärkt wunderbar die Stimmung, die entsteht, wenn eine Frau das Haus des Mannes besichtigt, dessen Heiratsantrag sie gerade vehement abgelehnt hat, und dieser ihr dort natürlich prompt über den Weg läuft. Und vor allem auch Austens feine Ironie, die ihre Romane ausmacht, findet sich in der Serie genau wieder. Alles in allem ist sie also als Literaturadaption nahezu perfekt – ob man nun „Stolz und Vorurteil“-Fan ist oder nicht. Aber: die mehrteilige Fernsehverfilmung dauert auch ganze fünf Stunden, und darin liegt vielleicht der einzige Kritikpunkt. Anscheinend ist es nicht möglich, Jane Austens Roman kürzer und trotzdem originalgetreu auf die Leinwand oder den Fernsehbildschirm zu bringen. Die beliebte britisch-französische Verfilmung aus dem Jahr 2005 hat es trotz Starbesetzung mit Darsteller*innen wie Keira Knightley, Matthew Macfadyen oder Judi Dench leider nicht geschafft. Mit 127 Minuten hat der Streifen zwar Spielfilmlänge, aber entfernt sich gleichzeitig durch einen modern-amerikanischen Touch und einen Hang zur Komik zu weit vom Buch. Deswegen bleibt die Miniserie „Stolz und Vorurteil“ von 1995 für mich die beste Adaption des gleichnamigen Romans, und darüber hinaus eine der besten Literaturverfilmungen, die es gibt. – Sonja
The Perks of Being a Wallflower (2012)
ACHTUNG SPOILER
Bei der Verfilmung von „The Perks of Being a Wallflower“, eine Coming-of-Age Geschichte des Amerikaners Stephen Chbowsky, kann die Geschichte direkt durch die Augen des Autors miterlebt werden. Das Drehbuch ist nämlich auch von Chboswky geschrieben worden, zudem hat er Regie geführt. Somit ist diese Adaption eine ganz besondere Filmerfahrung.
In dieser untypischen Highschool Geschichte werden die Thematiken Freundschaft, Liebe und die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens auf eine andere Weise bearbeitet, als es sonst in diesem Genre oft getan wird. Das liegt grundsätzlich daran, dass Chbowsky keine leichte Teenager Komödie geschrieben hat, sondern sich in „The Perks of Being a Wallflower“ verschiedenen Formen sexualisierter Gewalt, Depression, Selbstmord und Mobbing widmet.
Hierbei kommt der meiner Meinung nach größte Unterschied zwischen Buch und Film zum Vorschein: Die verschiedene Dramaturgie der Erzählung dieser Themen. Das Buch konfrontiert die Lesenden von Anfang an mit dem Selbstmord von Charlies bestem Freund oder seiner Beobachtung von einer Vergewaltigung auf einer Party seines Bruders. Damit ist der*die Leser*In bereits etwas „abgehärtet“, als sich rausstellt, dass der Hauptcharakter von seiner Tante missbraucht worden ist. Der Film, durch seine geringere Kapazität, baut stattdessen eine krasse Spannung auf, hält den Tod von Charlies bestem Freund zum Beispiel einige Zeit länger zurück und bezieht die Partyszene überhaupt nicht mit ein. Diese Änderung nimmt der Erzählung aber nicht ihre Ernsthaftigkeit und ihre Konfrontationsstärke. Buch wie Adaption versuchen so mit Nachdruck, Themen wie sexualisierte Gewalt und psychische Krankheiten zu enttabuisieren. Kein Wunder also, dass das Buch in einigen Highschools damals verboten wurde.
Die Atmosphäre des Buches, die vor allem von dem Hauptcharakter Charlie bestimmt wird, liest sich genauso im Soundtrack, wie auch im Schauspieler Logan Lerman, der mit einer Brillanz die Schüchternheit und Sanftheit der Figur in Szene setzt. Es ist einfach schön, ihm dabei zuzusehen, wie er in der Turnhalle am Abend des Sadie Hawkins Ball sitzt, völlig verloren, bis „Come on Eileen“ durch die Boxen tönt und er dadurch sichtlich seine Ängste für diesen Moment vergisst und aufsteht um mitzutanzen, um ein Teil zu sein von allem. Dabei wird er wortwörtlich von Sam (Emma Watson) und Patrick (Ezra Miller) an die Hand genommen. Alles in einem klassischen 90er Jahre Look, was dem ganzen einen noch stärken Melancholiegeschmack gibt, der genau die Stimmung des Buches einfängt. Eine wunderschöne Szene, geschrieben wie verfilmt.
Somit wird durch die Verfilmung von „The Perks of Being a Wallflower“ die Kernaussage Chbowkys auf den Kopf getroffen: Wir sollen nicht die Liebe akzeptieren, die wir denken zu verdienen. Wir sollten lernen uns selbst zu lieben und zu akzeptieren und genauso Menschen finden, die das in uns sehen. Eine Lebensweisheit, die uns diese Geschichte in all ihren Ausführungen mitteilt. – Frida
The Great Gatsby (2013)
Die Verfilmung von F. Scott Fitzgeralds Roman „The Great Gatsby“ aus dem Jahre 2013 präsentiert sich als eine moderne Buchadaption. Oft geht die Idee der Modernisierung in Adaptionen mit der Übertragung des Schauplatzes des Buches auf die heutige Zeit einher. Es kann als Mittel angesehen werden, mit dem ältere Romane einem jüngeren Publikum schmackhaft gemacht werden sollen. Doch eine Änderung des Schauplatzes erscheint bei „The Great Gatsby“ als schlichtweg unmöglich. Die 1920er Jahre sind für die Handlung geradezu unabdingbar, sowohl in ihrer Darstellung der sich lockernden Moral, wie auch bei der Kluft zwischen Arm und Reich, welche hier über den bloßen Besitz von Reichtum hinausgeht und ganze Verhaltensweisen der Menschen und ein spezifisches Milieu umfasst. Und dennoch gelingt dem Regisseur Baz Luhrmann mit seiner Verfilmung eine moderne Adaptation. In der Darstellung des großen Scheiterns des „American Dreams“ übernimmt er den Schauplatz der 20er Jahre, verwendet dabei jedoch moderne Stilmittel. In der Handlung fokussiert er sich hauptsächlich auf die Tragik, welche die Figur des Gatsby ausmacht.
Das am stärksten herausstechende Merkmal des Films ist Luhrmanns exuberanter Stil. Für Kenner des Regisseurs ist es sicherlich keine Überraschung, dass auch dieser Film oftmals zur Reizüberflutung neigt. Luhrmanns 20er Jahre sind die einer boomenden Wirtschaft, in der der Alkoholschmuggel und die sich lockernde Moral zu ausgelassenen Feiern unter den Reichen führt. Dabei geht es weniger um die Akkuratheit gegenüber der Zeit, als darum, die damalige Gefühlslage so einzufangen, um sie den Zuschauern nahbar zu machen. Mitsamt der Nutzung von anachronistischer Musik, wird die Ausgelassenheit der Ära filmisch auf die Spitze getrieben. Die Modernität der aktuellen Hip-Hop Musik transportiert den heutigen Zuschauer in die damalige moderne Gefühlslage der Personen im Film.
In der Handlung wiederum trifft die Verfilmung einen Kern des Buches. Jay Gatsby ist ein tragisches Symbol für die Lüge des erfolgreichen American Dreams. Der Film zeigt Gatsbys Fixiertheit darauf, mit seinem erworbenen Reichtum seine einstige Geliebte Daisy wieder für sich gewinnen zu können, sowie auch die Hoffnung, gänzlich zu dem Milieu der Reichen gehören zu können. Doch in Wahrheit ist eine solche Assimilation nicht möglich. Gatsbys oft illegale Geschäfte beweisen dies ebenso wie Daisys Ehemann Tom Buchanan, der in Gatsby einen arm geborenen Menschen erkennt. Leonardo DiCaprio ist somit für die Rolle eine Idealbesetzung, denn er versprüht den Charme, die Attraktivität und die Selbstsicherheit des Jay Gatsby, der in seinem Auftreten beinahe zu perfekt scheint und damit auch betont künstlich ist. Denn auch Gatsby selber spielt eine Rolle, nämlich die eines reichen Menschen. Er setzt eine Maske auf die von Minute zu Minute brüchiger wird. Und es ist dieser Wechsel, den DiCaprio glaubhaft machen kann, da in ihm stets eine emotionale Verwundbarkeit hinter seiner edlen Fassade steckt.
The Great Gatsby ist eine erfolgreiche Buchverfilmung, denn sie versteht sich darauf, sowohl eine moderne und nahbare Atmosphäre für die Zuschauer zu erschaffen, wie auch einen Kern des Buches zu finden und sich auf diesen bei der Adaption zu konzentrieren. Gerade die Besetzung von Leonardo DiCaprio entpuppt sich als einer der wichtigsten Grundsteine. Der Film ist eine tragische Liebesgeschichte, welche zum Scheitern verurteilt ist, da Gatsby nie die tatsächliche Dazugehörigkeit erlangen kann, von der er träumt. Der Anachronismus des Films mag in seinen Stilmitteln und der Musikauswahl durchaus kontrovers anmuten, doch für Luhrmann sind die klassischen Werke der Literatur zeitlos. Seine Adaption zeigt, dass die Aktualität eines alten Werkes nicht nachlässt, denn der Traum Gatsbys bleibt für immer eine Farce. – Marius
Good Omens (2019-)
Ein Dämon, der eigentlich ein viel zu netter Kerl für seine Berufung ist, ein Engel, der sich gegen jedweden Befehl von ganz oben sträubt und eine Bande Kinder, die einen auf den Teufel gekommenen Hund adoptieren. Was auf den ersten Blick nach einem kunterbunten Haufen Chaoten aussieht, entpuppt sich im Verlauf von Good Omens (2019-) als ein eisernes Team im Kampf gegen die Apokalypse. Klingt wild? Ist es auch.
Buchverfilmungen haben bekanntermaßen keinen besonders guten Ruf, denn sie bieten den Fans nur selten das, was sie sich davon im Voraus erhofft hatten. Ganz anders ist es bei der Adaption von Terry Pratchetts und Neil Gaimans Ein gutes Omen (1990). Denn Good Omens ist eine Serie ganz im Stil der Buchvorlage: charmante Charaktere, eine spannende Story und britische Comedy vom Feinsten. David Tennant in der Rolle des grummeligen aber liebenswerten Dämonen Crowley, dem mehr an seiner Freundschaft zum kauzigen Engel Aziraphale (Michael Sheen) als am gesamten Universum liegt, macht der Originalfigur in jeder Hinsicht alle Ehre. Dazu trägt sicherlich nicht nur sein schauspielerisches Talent bei, sondern auch, dass das Format der TV-Serie den Figuren genug Bühne bietet, um sich auf dem Bildschirm zu entfalten. Der episodische Aufbau erlaubt es Good Omens außerdem den Erzählstil der Buchvorlage geschickt aufzugreifen, ohne dabei langatmigen Kapiteln des Originals zu viel Raum zu geben. Good Omens ist eine Geschichte voller Freundschaft, Liebe und sprachlichem Humor, die den Zauber des Romans voll getroffen hat und es vermeidet, sich dabei in einer zu detailgetreuen Nacherzählung zu verlieren.
Dieses Jahr soll nun die zweite Staffel der Serie veröffentlicht werden – und zwar ohne Buchvorlage. David Tennant und Micheal Sheen dürfen also erneut in die Rollen der widersinnigen übernatürlichen Wesen schlüpfen. Ob die kommende Season einen ähnlichen Charme aufweisen wird, wie die Erste, bleibt zunächst noch offen. Doch mit Romanautor Neil Gaiman im Gepäck können sowohl Fans des Originals als auch neue*r Zuschauer*innen sicherlich guter Dinge sein. – Oliver
Sherlock (2010-)
Verfilmungen der Sherlock Holmes – Buchreihe gibt es unzählige. Immerhin kann die Figur Sherlock Holmes mit gleich zwei Titeln im Guinness Buch der Rekorde protzen: Er ist zum einen die am häufigsten portraitierte literarische menschliche Figur aus Film und Fernsehen, zum anderen der am häufigsten portraitierte Detektiv. Manche Verfilmungen sind besser, manche schlechter. Und zu der Kategorie der besseren, wenn nicht sogar der besten Verfilmungen jemals reiht sich für mich die von der BBC produzierten Fernsehserie Sherlock, deren Pilotfolge 2010 im Vereinigten Königreich und 2011 dann erstmals in Deutschland zu sehen war.
„A Study in Pink“ – das ist die erste Folge der Serie, deren Erfolg von der BBC vor der Erstausstrahlung noch angezweifelt wurde. Im Gegensatz zu jedweder Erwartungshaltung überraschte die Pilotfolge dann doch und zwar mit überragenden Einschaltquoten, sodass die BBC direkt drei weitere Staffeln produzierte. Mittlerweile gibt es, oder um es mit den Worten der Fans zu sagen, leider gibt es nur vier Staffeln à drei Folgen und eine Bonusfolge. Jede Folge ist in Spielfilmlänge gedreht, was der Serie ausreichend Zeit bietet, um jeden einzelnen Fall auszuarbeiten.
Die ausgewählten Fälle sind allesamt klasse: unerwartete Wendungen und Schock-momente, die einen zittern lassen, gibt es en masse. Auch an gemeinen Bösewichten wie Sherlocks Erzfeind Moriarty, gespielt vom brillanten Andrew Scott, mangelt es nicht. Benedict Cumberbatch verkörpert den exzentrischen Sherlock Holmes, der sich selbst als „high-functioning sociopath“ charakterisiert, während Martin Freeman in der Rolle des Dr. John Watson, als selbstbewussten Assistenten Holmes glänzen kann. Die beiden spielen großartig und geben den Figuren mehr Tiefe und Facetten, als die Originalvorlage. Das Detektiv-Duo aus Sherlock Holmes und Dr. John Watson sorgt für viele lustige, aber auch dramatische Momente innerhalb ihrer sich entwickelnden Freundschaft.
Kennt man die Bücher nicht, lädt jede Folge zum Mitraten ein. Kennt man sie, so kann man sich davon verzaubern lassen, wie es Sherlock gelingt die Geschichten aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ins London des 21. Jahrhunderts zu katapultieren. Die Fälle stammen alle aus den originalen Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle, werden aber angepasst auf das neumodische Setting oder verändert, um die Handlung über die Folgen hinweg plausibler zu gestalten. Insgesamt bleibt man den Büchern dennoch treu – am allerwichtigsten natürlich: Noch immer spielt sich alles in der Baker Street 221B ab.
Die Geschichten des Sherlock Holmes sind alt, immerhin erschien der erste Roman im Jahr 1887, aber sicherlich nicht verstaubt. Das zeigt Sherlock gekonnt mit Filmszenen, die ich wahrscheinlich niemals vergessen werde. Denn die Art und Weise wie Sherlocks Gedächtnispalast filmisch inszeniert und seine abstrakten und hochintelligenten Gedankengänge zur Lösung eines Falls gezeigt werden, ist einzigartig. Sie sind eine Besonderheit der Serie, die ich bisher noch in keiner anderen der Verfilmungen der Sherlock Holmes-Reihe gesehen habe.
Noch immer geben Fans die Hoffnung auf eine fünfte Staffel nicht auf. Aber solange Benedict Cumberbatch mehrmals im Jahr in die Rolle des Dr. Strange im Marvel Cinematic Universe schlüpft, wird das wohl eher nichts werden.
PS: Nein, das hier ist kein „Film“-Klassiker. Aber warum für einen Streifen entscheiden, wenn man mit Sherlock eine ganze Reihe an Klassikern bekommen kann? – Sara