Niederlande und Frankreich – ERASMUS Erfahrungsberichte

Wie jedes Jahr steht bald die Bewerbungsfrist für das Erasmus+ Stipendium an. Bis zum 16. Dezember habt ihr noch die Möglichkeit euch für ein Auslandssemester an einer Hochschule eurer Wahl zu bewerben. Die wichtigsten Infos zum Bewerbungsprozess hatte unser Redaktionsmitglied Oliver schon letztes Jahr zusammengetragen. Und das Gute an unserer verstaubten Bürokratie: so gut wie nichts hat sich geändert… Den Artikel findet ihr unter diesem Link.

Momentan befinden sich zwei Mitglieder, Æther und Emma, im Ausland. Diese haben für euch einen kleinen Erfahrungsbericht geschrieben, um mal zu zeigen, was in Utrecht und Mulhouse beispielsweise anders läuft, worauf man im Alltag aufpassen sollte und ob sich so ein Auslandssemester überhaupt lohnt oder vielleicht auch nicht.

Utrecht – Ein kleiner Reisebericht in Museen und Rädern 

Utrecht ist eine malerische Stadt, welche sich im Zentrum von den Niederlanden befindet. Alle anderen Städte des Landes sind von hier aus fix zu erreichen. Amsterdam und Den Haag sind nur 30 oder 40 min entfernt. Generell sind die Dimensionen in den Niederlanden viel kleiner als die in Deutschland oder selbst in NRW. Am weitesten entfernt sind Groningen und Maastricht mit gut zwei Stunden Zugfahrt. Dies lädt dazu ein alle Winkel des Nachbarlandes zu erkunden. 

Ich habe mir für meine zahlreichen Städtetrips eine Museumsjahreskarte (64€ für Eintritt in beinahe 500 Museen) sowie ein Abo der Bahn, mit dem ich an den Wochenenden kostenlos mit allen Zügen fahren kann (ca. 32€), geholt. Es ist eine interessante Art Städte durch ihre Museen kennenzulernen und so direkt in die verschiedensten Geschichten der Städte abzutauchen. Die Niederländische Museen haben eine Fülle an Geschichte aus verschiedensten Zeiten, moderne Kunst und natürlich Van Gogh zu bieten. Mein bisheriges Highlight war eine Ausstellung zur Kunst der DC Comics in Groningen im Storytelling Museum. 

Aber natürlich reise ich hier in den Niederlanden nicht nur fast jedes Wochenende durch die Gegend, sondern studiere auch. Ja, das gehört auch zu einem Auslandssemester dazu. Da ich mir lediglich das Auslandssemestermodul anrechnen lassen werde (für das man lediglich seine Prüfungen bestehen muss), habe ich mich dazu entschieden meine Kurse rein nach meinen Interessen zu wählen und mein Wissen in den Gender/Queer und Postcolonial Studies zu vertiefen, was ebenso eine Vorbereitung auf meine Bachelorarbeit darstellt. 

Kleine Anekdote zum niederländischen Notensystem, welches ich bis heute nicht gänzlich verstanden habe: es gibt Noten von 1-10. Alles schlechter als eine 5.5 ist durchgefallen und 1 ist die schlechteste Note. Aber wenn ihr euch jetzt denkt, ok, dann ist halt 10 unsere 1.0, ist die historische Realität doch etwas komplizierter. 10 ist lediglich für Gott, wird daher nur sehr selten vergeben (besonders bei den Humanities) und 9 ist für die Lehrenden (also auch sehr selten). Daher ist das Beste, was man realistisch bekommen kann, eine 8. Viel Spaß beim Umrechnen, wenn eure Noten angerechnet werden. 

Was den Unterricht fern ab von Noten angeht ist er gar nicht so anders als in Köln. Ein Unterschied ist, dass die Semester hier in zwei Blöcke unterteilt sind, die jeweils 5-6 Wochen gehen. Häufig gibt es in der Mitte der Blöcke Midterms, was dazu führt, dass sich ein Block auch nur nach einem ewigen Prüfungsmarathon anfühlt. Vor allem wird in Utrecht alles bewertet. So etwas wie unbenotete SLs gibt es nicht. Auch solltet ihr euch auf eine Präsentation einstellen, welche es in fast allen Seminaren gibt. In der Regel sind aber alle Gruppenmitglieder motiviert eine nice Präsentation auf die Beine zu stellen und es muss auch nicht immer PowerPoint sein. So haben wir als „Präsentation“ bereits eine Debatte sowie ein kleines Spiel gehabt, welches die eigenen Privilegien kritisch hinterfragen sollte. 

Ihr seht: es gibt Möglichkeiten sich kreativ einzubringen und den Unterricht aktiv mitzugestalten. Dieser findet hier auf Augenhöhe statt. Reinen Frontalunterricht werdet ihr hier eher selten finden. 

Also kommt nach Utrecht und habt die Zeit eures Lebens! Solltet ihr euch jetzt irritiert denken, während ihre bereits eure Reisekoffer packt: Moment mal! Niederlande? Warum soll ich da mein Auslandssemester machen, ist doch gleich nebenan. Ja, Utrecht ist tatsächlich nicht einmal drei Stunden von Köln entfernt, aber ihr werdet hier trotzdem coole Erfahrungen machen, Neues über euch lernen und ganz viele nice Menschen kennenlernen. Ich zum Beispiel habe direkt am Ende meiner ersten Woche die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt ein Radunfall zu haben und in der Notaufnahme zu sein (Es war am Ende zum Glück ‚nur‘ eine sehr nervige Fraktur im Knie, Krücken und Physiotherapie). Daher: Rad fahren in den Niederlanden, besonders in Utrecht, ist sicherer als in Köln, aber vorsichtig fahren sollte mensch trotzdem. 

Ein weiterer pro Punkt für Utrecht ist auch, dass ihr euer English täglich trainieren könnt, da alle Kurse auf English sind. Und was die Niederländisch-Kenntnisse allgemein angeht: Ihr müsst nicht unbedingt Niederländisch können, um in Utrecht zurechtzukommen. Der Großteil der Menschen hier kann Englisch sprechen, ob jung oder alt (abgesehen von der Person am anderen Ende des Notanrufes[EG1] ). Aber es hilft schon zumindest es einigermaßen lesen zu können, da alle Schilder und Inhaltsangaben auf Niederländisch sind. Wenn die Muttersprache Deutsch ist und mensch ebenso Englisch kann, sollte mensch keine allzu großen Probleme haben es lesen zu können. Auch ist es nice in Cafés auf Niederländisch zu bestellen. Ich bekam immer ein breites Lächeln für den Versuch und fühlte mich heimischer hier in der Stadt, die ich in ein paar Monaten sicher sehr missen werde. Es ist eine grandiose Zeit!

P.S. Wenn ihr mich nach meinem Auslandssemester sucht, bin ich vermutlich bereits zurück auf den Weg nach Utrecht <3

– Æther


Kleinstadtcharme im Elsass

Mulhouse ist neben Paris eine Möglichkeit für einen Auslandsaufenthalt in Frankreich, wenn man über das Institut für Medienkultur und Theater gehen will. Und naja, neben Paris klingt Mulhouse – und insbesondere, wenn man den deutschen Namen „Mülhausen“ benutzt – nicht ganz so spannend. Aber nach fast drei Monaten hier kann ich mit großer Überzeugung sagen, dass es sich lohnt!

Das kleine Städtchen mit einer Einwohnerzahl von knapp 110.000 liegt im berühmten Drei-Länder-Eck. In zwanzig Minuten ist man in Basel, in 50 Minuten in Freiburg und in knapp einer halben Stunde im malerischen Colmar. Vom Campus lassen sich die schönsten Bergpanoramen bestaunen, im Stadtinneren überraschen bunte Graffiti an jeder Ecke – dafür ist Mulhouse tatsächlich bekannt –, und der Kleinstadtcharme, den ich als waschechte Kölnerin bisher noch nicht kannte, beruhigt die Nerven, wenn es dann doch mal nicht so gut mit dem Französisch läuft, wie man es sich vorgestellt hat… 

Der Unialltag gestaltet sich hier in Frankreich etwas anders als in Köln. Etwas, an das man sich erstmal gewöhnen muss, ist, dass sich der Stundenplan von Woche zu Woche ändert. Das ist dem geschuldet, dass viele Kurse hier einen hohen Anteil an praktischen Arbeiten haben, und so teilweise eine Kurslänge von vier Stunden haben – natürlich mit Pause –, deshalb aber nicht jede Woche stattfinden. Vor allem diese neue Art des Lernens gefällt mir hier. Von Kursen wie „Introduction à la production audiovisuel“ oder „Écriture Web“ über „Graphic design“ lernt man hier im Zuge von praktischen Übungen handwerkliches Geschick – und für alle, die keine Klausuren schreiben wollen: in diesen Kursen gibt es meistens ein Endprojekt, das abgegeben werden muss, aber kein „examen“.

Diejenigen unter euch, die nach der BM3 Prüfung im Bachelor noch nicht genug von Mediengeschichte haben, können hier außerdem nochmal das französische Äquivalent belegen. Daneben sind die Französisch-Kurse, die vom Learning Center angeboten werden, zu empfehlen! Wer der französischen Sprache gar nicht mächtig ist, sollte sich jedoch überlegen, ob es sinnvoll ist, hierher zu kommen, da die meisten Kurse auf der Landessprache abgehalten werden. Zwar gibt es eine Kooperation mit der Uni Basel, deren Kurse man ebenfalls belegen kann, aber hat man Lust so oft hin und her zu pendeln? 

Das Städtchen Mulhouse hatte lange mit seinem Image zu kämpfen, wie mir von Kommiliton*innen erklärt wurde, arbeitet aber seit einiger Zeit daran das Stadtbild zu erneuern und verschönern. In kleinen Cafés und leckeren Boulangeries – worunter vor allem mein Portemonnaie gelitten hat – lässt sich die Zeit hervorragend verbringen. Mein absoluter Lieblingsspot ist aber das „Gambrinus“. In der Bar in der Rue des Franciscains wird neben 26 verschiedenen Biersorten der beste Flammkuchen, den ich hier im Elsass probiert habe, serviert. An den Wochenenden finden Konzerte und DJ-Partys statt. Für diejenigen, die also die Kneipen-Tradition Kölns im Ausland weiterführen wollen, könnte das der Place-to-be sein… Und als hätte es der Zufall so gewollt, befindet sich direkt gegenüber das Café „Kohi“, das mit leckerem Kaffee, veganem Kuchen und sonntäglichem Brunch aufwartet.

Ich habe mich in meiner Zeit hier unglaublich wohl gefühlt. Mit den anderen Erasmus-Studierenden habe ich mich von Tag 1 sehr gut verstanden und Freundschaften fürs Leben gefunden, auf die ich niemals verzichten wollen würde, und die bestimmt auch deshalb so eng geworden sind, da man in einer Kleinstadt, anders als in Paris, eben nicht zu 200. antanzt, sondern nur zu 30. Und jede*r die*der vielleicht noch hin und her überlegt, ob sie*er Köln verlassen kann: Der Rhein ist nicht weit entfernt.

– Emma